Ein Wahlkampf ist kein Kinderspiel, schon gar nicht im Winter, wenn sibirische Kaltluftmassen über Mitteleuropa hereinbrechen. Für die AktivistInnen der KPÖ Graz, viele von Ihnen GemeinderätInnen, die auf den Straßen und Plätzen der steirischen Landeshauptstadt ihr Wahlmaterial verteilen, gilt das besonders. Während es sich die WahlwerberInnen der Konkurrenz in Partyzelten mit hüfthohen »Schutzwänden« vergleichsweise gemütlich machen, gilt für die KommunistInnen, denen wir beim Infostand am Jakominiplatz einen Besuch abstatteten, das traditionelle Understatement. Ein kleiner Holztisch (selbst zusammengebaut), ein Sonnenschirm, freundliche Gesichter, massig Infomaterial, das darüber aufklärt, wie man Graz sozialer und gerechter für die EinwohnerInnen machen möchte – mehr scheint es nicht zu brauchen.
Wärmende Worte
Was wärmt, ist nicht nur der Kaffee in der Kanne, die neben dem Holztisch bereitsteht. Es sind auch die Rückmeldungen aus der Bevölkerung. »Außer euch kann man eh nix wählen. Ein Wahnsinn, das mit der Wohnbeihilfe«, meint zum Beispiel ein Grazer, der sich gleich nach dem Aufspannen des Sonnenschirmes beim Infostand eingefunden hat. »Haben'S eh schon unterschrieben?«, fragt eine der KPÖ-AktivistInnen und deutet auf eine halb ausgefüllte Unterschriftenliste, die neben dem Infomaterial auf dem Holztisch liegt. Es handelt sich um die Petition »Hände weg von der Wohnbeihilfe«. Sie soll der Landesregierung deutlich machen, dass die neue »Wohnungssicherung«, die in der Steiermark seit dem 1. September gilt und für viele Menschen eklatante Mehrkosten verursacht hat, inakzeptabel ist. »Schon längst«, antwortet der Mann am Infostand.
Wenig später: Eine ältere Dame, die einen angebotenen Flyer dankend ablehnt, dreht sich beim gehen noch kurz um: »Ich möchte Ihnen aber schon sagen, die Elke Kahr ist ein toller Mensch. Bewundernswert, die Arbeit, die sie macht. Meine Stimme ist ihr sicher!« Diese Meinung hört man hier an diesem Nachmittag im Januar öfter. Elke Kahr, die schon viele Jahre als Grazer Wohnbaustadträtin arbeitet und 2016 zur Vizebürgermeisterin gewählt wurde, ist beliebt, weil sie nicht dem Typus der üblichen PolitikerInnen entspricht. Die Menschen nehmen wahr, dass sie sich tatsächlich den Grazerinnen und Grazern annimmt, um ihnen bei ihren persönlichen Probleme zu helfen. Auch deshalb hat die KPÖ in Graz bei der letzten Gemeinderatswahl 2012 mit fast 20 % den zweiten Platz erreicht.
Vizebürgermeisterin Elke Kahr. Foto (c) KPÖ Graz
Mehr als Wohnen
Aber die Grazer KPÖ ist mehr als Elke Kahr, mehr als Wohnen. Im Kommunalprogramm zur Wahl werden alle Aspekte des städtischen Lebens abgedeckt: Frauenpolitik, Arbeit, Barrierefreiheit, Pflege, öffentlicher Raum, Zusammenleben, Internetzugang, Privatsphäre, öffentlicher Verkehr, Umwelt, Jugend, Sport, Kultur und Demokratie. Davon ist natürlich in den Medien oft nur wenig zu sehen und zu lesen. Außerhalb von Graz und der Steiermark bleibt der Eindruck, man möchte den Erfolg der KommunistInnen als Kuriosität oder Anomalie abtun. »Wir werden in Graz als zweitstärkste Partei ernst genommen«, meint jedoch ein KPÖ-Gemeinderat am Infotisch. Und für die Landeshauptstadt ist das evident, allein schon, wenn man sich den Wahlkampf der anderen Parteien vor Augen führt.
Diese haben, so scheint es, die KPÖ nämlich als Hauptgegnerin ausgemacht. Sei es der gescheiterte Versuch der FPÖ, die KommunistInnen in der Frage des Gemeindebaus auf rassistische Art anzupatzen (siehe Volksstimme No. 11 November 2016) oder die scheinheilige Reaktion auf das Wahlplakat »Das letzte Hemd hat keine Taschen. Runter mit den Politikerbezügen!« Über dieses hatte man sich in fast allen Parteien echauffiert und den Vorwurf, eine »Neiddebatte« anzetteln zu wollen, medial breitgetreten.
Eine nützliche Partei
Dass all dies nun in der kalten Jahreszeit stattfindet, dafür ist die Grazer KPÖ eigentlich selbst verantwortlich. SPÖ, ÖVP und FPÖ hatten im Oktober eine Volksbefragung zum stark umstrittenen Murkraftwerk kurzerhand abgelehnt, obwohl eine BürgerInneninitiative (www.rettet-die-mur.at) die dafür grundsätzlich notwendigen 10.000 Unterschriften aufbringen konnte (es wurden sogar 16.500 Unterschriften eingereicht), und obwohl ein jüngstes Rechtsgutachten des renommierten Verfassungsexperten Dr. Heinz Mayer bestätigte, dass die Befragung hätte durchgeführt werden müssen. Die KPÖ entschied sich aus Prinzip, dem Budget nicht zuzustimmen, um ihren Standpunkt bei der Frage der Mitbestimmung in essenziellen Angelegenheiten der Stadt deutlich zu machen. Der Gemeinderat wurde aufgelöst.
AktivistInnen der KPÖ Graz trotzen den niedrigen Temperaturen.
»Die KPÖ Graz will eine nützliche Partei sein«, sagt mir einer der Aktivisten am Jakominiplatz. Als solche müssen die demokratischen Prinzipien über machtpolitischen Überlegungen stehen, egal, wie tief die Temperaturen sind und selbst wenn es danach aussieht, dass dieses Mal die FPÖ den zweiten Platz schaffen könnte. Und »Helfen statt Reden« lautet zudem das Motto, das die KommunistInnen plakatieren und dem sie in Graz entsprechen wollen. Bei der bisherigen Umsetzung kann man ihnen jedenfalls nur gratulieren. Und hoffen, dass die GrazerInnen und Grazer das genau so sehen und am 5. Feber entsprechend wählen werden.
Wir haben uns entschieden, diesen Text aus Gründen der Aktualität kurz nach dem Erscheinen der Nummer online zu veröffentlichen. Im Heft finden Sie zusätzlich zur Reportage außerdem ein ausführliches Interview zur Gemeinderatswahl mit Vizebürgermeisterin Elke Kahr.