Zum 60. Todestag von Franz Honner
Unmittelbar nach der Befreiung Wiens vom Hitlerfaschismus begannen die Verhandlungen zwischen SPÖ, ÖVP und KPÖ über die Bildung einer Provisorischen Regierung. Neben dem Vizekanzler forderte die KPÖ zwei Ministerien (damals als Staatssekretariate bezeichnet): jenes für Inneres und jenes für Unterricht. Der designierte Staatskanzler Karl Renner wollte das Staatssekretariat für Inneres nicht der KPÖ überlassen, weshalb die ersten beiden Verhandlungsrunden keine Einigung brachten. Als dann am 23. April 1945 der eben nach Wien zurückgekehrte Franz Honner, noch in der Uniform der jugoslawischen Partisanenarmee, bei den Regierungsverhandlungen auftauchte, sagte Karl Renner zum neben ihm sitzenden Ernst Fischer: »Was habt ihr da für einen Prachtkerl! Das ist die Verkörperung der Arbeiterklasse. Ich beneide euch um solche Leute.« Damit waren alle Widerstände gegen einen kommunistischen Innenminister überwunden.
Bergmann und Parteifunktionär
Die Lebensgeschichte von Franz Honner ist ein halbes Jahrhundert Geschichte der österreichischen ArbeiterInnenbewegung. Honner wurde am 4. September 1893 in Heinrichsöd (Hrdoňov), einem böhmischen Dorf nahe der oberösterreichischen Grenze im Bezirk Kaplitz (Kaplice), geboren. Sein Vater Andreas war ein armer Kleinhäusler, der in den Gütern der Adelsfamilie Schwarzenberg arbeitete und mit seiner Frau Marie sechs Kinder großzog. Bereits mit 14 Jahren begann Honner als Elektriker in einer Papierfabrik zu arbeiten, 1911 trat er der Sozialdemokratischen Partei bei. Im Ersten Weltkrieg diente er an verschiedenen Fronten, u.a. im Rahmen jener Einheit, die den Schwarzmeerhafen Odessa besetzt hielt. Die Kriegserfahrungen und seine Kontakte mit den Bolschewiki in der Ukraine waren ausschlaggebend dafür, dass sich Honner zum Internationalisten und Kommunisten entwickelte.
1918 kehrte Honner nach Kriegsende in seine Heimat zurück, die er bald wieder verließ, um als Maschinist im Mitterberger Kupferbergbau im Salzburger Pongau zu arbeiten. Im Mai 1919 wechselte er nach Grünbach am Schneeberg im niederösterreichischen Bezirk Neunkirchen, um im dortigen Steinkohlebergwerk als Kohlenhäuer zu arbeiten. Er wurde Mitglied der KPÖ und entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem angesehenen Partei-, Betriebs- und Gewerkschaftsfunktionär. Er wurde Obmann der kommunistischen Ortsgruppe, 1922 Mitglied der niederösterreichischen Landesleitung der KPÖ und 1923 Bezirksobmann von Neunkirchen.
Die KPÖ war in diesen Jahren vom Fraktionskampf zerrissen. Für Honner war im Herbst 1923 eine Begegnung mit Johann Koplenig ausschlaggebend dafür, sich jener Gruppe um den späteren Parteivorsitzenden anzuschließen, die sich die Überwindung der fraktionellen Auseinandersetzungen zum Ziel setzte. Als sich die Fraktionskämpfe im Herbst 1924 verschärften, wurde in Wien ein außerordentlicher Parteitag einberufen. Bei dieser als »Reichskonferenz« bezeichneten Tagung wurde Honner erstmals in den 18-köpfigen Parteivorstand gewählt. Er gehörte bis zu seinem Tod – 40 Jahre lang – durchgängig dem Führungsgremium der KPÖ an.
Streikführer in Grünbach
KPÖ-intern gründete das Prestige Franz Honners auf seiner kommunalpolitischen, betrieblichen und gewerkschaftlichen Verankerung in Grünbach. Im Februar 1923 wurde der kommunistische Betriebsrat zum Obmann der Ortsgruppe der Metall- und Bergarbeitergewerkschaft gewählt. Als der Direktor des Bergwerks, der für seine Scharfmachermethoden bekannt war, 300 der 1.400 Arbeiter entlassen wollte, traten die Arbeiter im Juni dieses Jahres in den Streik, in dessen Verlauf Honner eine führende Rolle spielte. Bei den darauffolgenden Betriebsratswahlen im September 1923 erreichte die KPÖ 334 Stimmen gegenüber 498 für die sozialdemokratische Gewerkschaftsfraktion, was überregional für Aufsehen erregte. Im November 1924 wurde Honner in den Grünbacher Gemeinderat gewählt. Im Jänner 1925 stand er erneut an der Spitze einer Streikbewegung, die einen Höhepunkt des Kampfes der KPÖ gegen die »Genfer Sanierung« darstellte. Der Streik begann mit spontanen Arbeitsniederlegungen, nachdem die Forderung nach einer 15-prozentigen Lohnerhöhung abgelehnt worden war. Der Direktor reagierte darauf mit der Aussperrung der gesamten Belegschaft. Von der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbürokratie abgewürgt, endete der Streik nach zwei Wochen ohne Erfolg. 60 Arbeiter und vier Betriebsräte – darunter auch Franz Honner – wurden entlassen. Der nunmehr arbeitslose Honner, der für seine Frau Anna und seine 1924 geborene Tochter Irma zu sorgen hatte, leistete fortan Parteiarbeit in verschiedenen Orten Niederösterreichs.
Zu Jahresbeginn 1926 leitete Honner die erste österreichische Arbeiterdelegation in die Sowjetunion. Der Delegation, die zwei Monate lang Moskau und Leningrad, Weißrussland, die Ukraine und Georgien besuchte, gehörten vier KommunistInnen und neun Sozialdemokraten an. Da Honner vom Unternehmerverband auf eine »schwarze Liste« gesetzt wurde, war es ihm unmöglich, wieder Arbeit zu finden. Er übersiedelte deshalb nach Wien in die »Grinzinger Baracken «, eine Notbehelfssiedlung in der Grinzinger Allee, und widmete sich ganz der Parteiarbeit.
In den folgenden Jahren war Honner für die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit der KPÖ verantwortlich. Als die Grünbacher Bergarbeiter zum Jahreswechsel 1932/33 erneut wochenlang in den Streik traten, nahm auch Honner wieder einen führenden Anteil an der Streikbewegung, nicht mehr als Bergmann und Betriebsrat, sondern als Gewerkschaftssekretär der KPÖ und Leiter der mit ihr verbundenen Roten Gewerkschaftsopposition. Er sprach in öffentlichen Versammlungen und setzte u.a. die Wahl einer von der Gewerkschaftsbürokratie unabhängigen Streikleitung durch. Auch dieser Streik endete ohne Erfolg, nachdem die Gewerkschaft Verhandlungen mit der Direktion und der Unternehmervereinigung aufgenommen hatte und die Protestbewegung abwürgte.
Organisator der Freiheitsbataillone
Nach dem Verbot der KPÖ im Mai 1933 musste Honner als Mitglied der engeren Parteiführung untertauchen. Er lebte fortan illegal in Wien. Nach den Februarkämpfen des Jahres 1934 und der Verlegung der KPÖ-Führung nach Prag leitete er das »Inlandssekretariat« und damit die Parteiführung im Lande. Am 25. Jänner 1935 wurde der steckbrieflich gesuchte Honner bei einer Besprechung von KPÖ und Revolutionären Sozialisten über gemeinsame Aktionen zum Jahrestag des 12. Februar festgenommen. Er zähle »zu den radikalsten Vertretern der KPÖ und hat insbesondere bei Streiks eine hemmungslose Agitation entfaltet «, war in der Anzeige der Polizeidirektion zu lesen. Honner wurde zunächst mit sechs Monaten Arrest bestraft und danach in Untersuchungshaft genommen. Im großen »Sozialistenprozess« angeklagt, wurde er gemeinsam mit Friedl Fürnberg, dem späteren Generalsekretär der Partei, im März 1936 zu vier Monaten Arrest verurteilt und auf unbestimmte Zeit ins Anhaltelager Wöllersdorf eingeliefert. Im Oktober 1936 gelang Honner und Fürnberg die Flucht aus dem Lager.
Danach emigrierte Honner nach Prag. Die KPÖ- Führung entsandte ihn im Mai 1937 nach Spanien, wo Honner die österreichischen Freiwilligen, die zur Unterstützung der Republik ins Bürgerkriegsland geeilt waren, in einem eigenen Bataillon zusammenfasste, das den Namen »12. Februar « erhielt. Als Mitglied der Parteiführung befand sich Honner bis Kriegsbeginn in Prag bzw. Paris, nach einem Zwischenaufenthalt in Jugoslawien wirkte er von 1940 bis 1944 – begleitet von seiner zweiten Frau Margarete (Grete) Kalteis – im Moskauer Exil. 1941 leitete Honner den österreichischen Sektor der Komintern-Schule in Kušnarenkovo, 1942/43 organisierte er Schulungskurse (»Antifa-Schulen«) für österreichische Kriegsgefangene. Höhepunkt der KPÖ-Strategie, einen eigenständigen bewaffneten Beitrag zur Befreiung Österreichs vom Faschismus zu leisten, war die Aufstellung von fünf österreichischen Freiwilligenbataillonen im Verband der Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee ab November 1944. Zu diesem Zweck wurde Honner im Juli dieses Jahres nach Slowenien ins Partisanengebiet geflogen, um in Črnomelj einen österreichischen Stützpunkt aufzubauen. Hier begann er österreichische Freiwillige anzuwerben und knüpfte Verbindungen zu Parteiorganisationen und Widerstandskreisen in Österreich. Im Dezember 1944 konnte auf Honners Initiative ein »Landeskomitee der Österreichischen Freiheitsfront für Steiermark und Kärnten« gebildet werden, das sich mit einem Aufruf zum Kampf gegen den Nazifaschismus an die Bevölkerung wandte.
Staatssekretär, Parlamentarier und Parteiführer
Als Honner und Fürnberg Anfang April 1945 die Nachricht von der Befreiung Wiens durch die Rote Armee erhielten, leiteten sie ihre schnellstmögliche Rückkehr in die Wege. In der Provisorischen Regierung wurde Honner zum Staatssekretär für Inneres und damit zum ersten Innenminister der Zweiten Republik bestellt. In dieser Funktion war Honner für die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich. Es ist seiner Amtsführung zu danken, dass in Wien ein demokratischer Polizeiapparat aufgebaut werden konnte, in dem auch KommunistInnen eine wichtige Rolle spielten. »Wir wollen dafür Sorge tragen, dass unsere staatliche Exekutive nie mehr wieder ein Werkzeug zur Zertrümmerung der Demokratie werden kann, so wie es März 1933 geschehen ist. […] Wir werden dafür sorgen, dass, solange wir Kommunisten das Staatsamt für Inneres in der Hand haben, die Polizei nie wieder Gelegenheit haben wird auf Arbeiter zu schießen«, formulierte Honner im Herbst 1945 in einer Wahlkampfbroschüre der KPÖ. Bei der ersten Nationalratswahl am 25. November 1945 erreichte Honner das notwendige Grundmandat im Wahlkreis 9 (Viertel unter dem Wienerwald), sonst wäre der KPÖ trotz der erreichten 5,4 Prozent der Einzug in den Nationalrat verwehrt gewesen. Im Parlament war Honner der Sprecher der KPÖ für sozialpolitische Fragen und für Finanz- und Steuerpolitik. Er blieb bis 1959, bis zum Ausscheiden der Partei aus dem Nationalrat, Abgeordneter und eroberte auch 1949 und 1953 ein Grundmandat. Höhepunkte seiner Parlamentsarbeit waren die Rede bei der Beschlussfassung des Verstaatlichungsgesetzes am 26. Juli 1946 sowie seine Rede am 10. Oktober 1950 unmittelbar nach dem Oktoberstreik, in der er die von Parteien, Gewerkschaft und Medien vertretene »Putschlüge « eindrucksvoll widerlegte. Auch innerhalb der KPÖ nahm Franz Honner nach 1945 wieder hohe Positionen ein: 1945 wurde er zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt (eine Funktion, die es nur bis 1948 gab) und 1946 zum Landesobmann der KPÖ Niederösterreich (bis 1956). Als Mitglied des Sekretariats bzw. Politischen Büros gehörte er bis zu seinem Tod der engeren Parteiführung an, wo er für die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit zuständig war. Von 1954 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1960 war er einer der Sekretäre des Zentralkomitees. Franz Honner starb am 10. Februar 1964 in Wien. Er verkörperte wie kein anderer die revolutionäre ArbeiterInnenbewegung Österreichs. In der Volksstimme, dem damaligen Zentralorgan der KPÖ, war Honner anlässlich eines runden Geburtstags als »Liebling und Stolz unserer Partei« bezeichnet worden. Von der anhaltenden Popularität Honners – nicht nur innerhalb der KPÖ, sondern auch in seiner früheren Heimat – zeugt die Tatsache, dass sich anlässlich seines 80. Geburtstags im September 1973 mehr als 1.000 Menschen in Grünbach versammelten, um unter dem Motto »Kämpfen wie Franz Honner! « des kommunistischen Arbeiterfunktionärs zu gedenken.