Arbeitskreis zum Paragraphen 109 von Bildung Brennt gemeinsam mit IG LektorInnen bei der Abschlusskundgebung. Arbeitskreis zum Paragraphen 109 von Bildung Brennt gemeinsam mit IG LektorInnen bei der Abschlusskundgebung.

Wir brauchen ein anderes Universitätsgesetz!

von

Eine kritische Auseinandersetzung mit der vorliegenden Novelle des Universitätsgesetzes

Von Elisabeth Günther und Dagmar Fink

Am 15. Janaur endete die Begutachtungsfrist für die Novelle des Universitätsgesetzes, die im Dezember noch eben schnell auf den Weg gebracht wurde. In Zeiten der Pandemie, des Arbeitens und Studierens innerhalb der eigenen vier Wände, ist es schwierig, die angedachten Änderungen gemeinsam zu diskutieren, sich über Alternativen auszutauschen und sich zu organisieren. Eine Schelmin, die denkt, es könnte durchaus im Sinne der Regierung sein, Protestmöglichkeiten gering zu halten. Doch aller Widrigkeiten zum Trotz formiert sich breiter Widerstand: Unzählige kritische Stellungnahmen wurden eingereicht, Demonstrationen fanden und finden in verschiedenen Städten statt und über tausend Wissenschafter: innen sprechen sich für ein anderes Universitätsgesetz als das vorgelegte aus. Worum geht es?

Zugang zu Bildung

Universitäten haben die Aufgabe, Wissen zu erzeugen und Wissen mit der Gesellschaft zu teilen. Die Wissensvermittlung erfolgt zu einem großen Teil dadurch, dass Studierenden in der Lehre wesentliche Erkenntnisse näher gebracht und sie befähigt werden, Wissen kritisch zu hinterfragen. In der Lehre sollen Student:innen sich also Wissen aneignen und ihre Kompetenzen ausbauen können. Dabei sollte das Studium die Möglichkeit bieten, den eigenen Interessen nachzugehen und/oder sich für einen Beruf zu qualifizieren.

Dieser freie Zugang zu Wissen, diese Form der Bildung – und eben nicht allein AUSbildung – ist ein hohes Gut.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Bedingungen, zu denen studiert werden kann und muss, sehr verändert. Studien pläne wurden stärker strukturiert, Aufnahmetests in bestimmten Fächern eingeführt, das zu vermittelnde Wissen gerafft. Manche der bisherigen Änderungen könnten potenziell einen Beitrag dazu leisten, einer breiteren Vielfalt von Personen ein Studium zu ermöglichen. So kann eine stärkere Strukturierung durchaus eine Hilfestellung sein, wenn sich eine:r in den akademischen Gefilden nicht auskennt. Eine zu starre Vorgabe kann aber auch jene behindern, die neben dem Studium noch andere Verpflichtungen haben. Die stärkere Strukturierung, um nicht zu sagen: Verschulung, kann abschreckende Wirkung haben – wie die Evaluierung der Aufnahmetests andeutet.

Vor diesem Hintergrund ist es auffällig, dass in der vorliegende Novelle vorgeschlagen wird, eine Mindestleistung für Studierende einzuführen. Auf den ersten Blick erscheint die vorgeschlagene Mindestleistung durchaus machbar, wenn nicht sogar vernachlässigbar. Doch wird damit ein Paradigmen-Wechsel eingeführt. Student:innen müssen nun ihre Leistungsbereitschaft der Universität gegenüber beweisen, sonst werden sie für zehn Jahre von diesem Studium ausgeschlossen. Dabei wird keine Rücksicht darauf genommen, ob eine:r ein anderes Studium belegt oder sich berufsbegleitend (weiter)bilden möchte. Und: Es ist nicht ausgeschlossen, dass die geforderte Mindestleistung zu einem späteren Zeitpunkt erhöht wird. Es ist daher zu befürchten, dass diese zusätzliche Anforderung, die kaum durch Angebote an Student:innen und Studien-Interessierte abgemildert wird, abschreckend wirkt. Und zwar gerade für jene, denen Bildung nicht »in die Wiege gelegt« wurde, die sich ihren Weg durch ein sehr ausschließendes Bildungssystem erkämpfen müssen, deren Eltern sie nicht in die akademische Welt einführen können. Darüber hinaus sollen mit der Novelle quasi zwei Klassen von Student: innen eingeführt werden: Jene, die schon viele (100) credit points erreicht haben, und jene, die weniger haben. Diejenigen, die zügig studieren können, werden also noch weiter bevorteilt. Für wen also ist diese Novelle gedacht? Wer sind die – im Hinterkopf mitgedachten oder vielleicht auch erwünschten – Student:innen von morgen?

Demokratie in der Universität

Neben den Änderungen in Hinblick auf Student:innen sind auch Machtverschiebungen innerhalb der Universität geplant. Die Struktur von Universitäten – mit den unterschiedlichen Entscheidungskompetenzen – ist durchaus komplex. Universitäten werden derzeit vom Rektorat geführt, wobei die studienrechtliche Verantwortung beim Senat liegt und der Universitätsrat – vergleichbar mit einem Aufsichtsrat – auch mitbestimmt. Der Senat ist das einzige von Universitätsangehörigen gewählte Gremium (wobei die Professor:innen hier eine absolute Mehrheit haben). Er entsendet die Hälfte der Mitglieder des Universitätsrates, die andere Hälfte wird von der Bundesregierung entsandt. Senat und Universitätsrat gemeinsam wählen das Rektorat für jeweils vier Jahre. Nach diesen vier Jahren kann sich ein:e Rektor:in der Wiederwahl stellen. Bisher müssen der Senat und der Universitätsrat der Wiederwahl zustimmen, in Zukunft jedoch soll nur noch (der zur Hälfte politisch besetzte) Universitätsrat ein Rektorat erstmalig wiederbestellen können. Der Senat als einziges direkt gewähltes Gremium soll nur noch ein Anhörungsrecht erhalten. Zudem sollen Rektorate in Zukunft grobe Richtlinien für Studienpläne erlassen können. Eine Aufgabe, die bisher den Senaten vorbehalten war.

Die ohnehin schon sehr eingeschränkten Möglichkeiten Universitätsangehöriger, das strategische Gestalten von Universitäten mitzubestimmen, werden also noch weiter eingeschränkt. Um nicht zu sagen: gestrichen.

Gleichzeitig soll ausgerechnet die Zusammensetzung jenes Gremiums verändert werden, das sich für Diskriminierungsschutz einsetzt: der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (AKG). Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, dann sollen auch im AKG zukünftig die Professor: innen – bzw. eigentlich Professoren – die absolute Stimmmehrheit haben. Es sollen nicht mehr kompetente und engagierte Mitglieder entsandt, sondern aus Listen und Berufsgruppen gewählt werden. Das Problem ist, dass Minderheitenschutz selten von der privilegierten Mehrheit hochgehalten wird. Wäre dies der Fall, bräuchte es keinen Arbeits kreis für Gleichbehandlungsfragen. Wenn aber nun der AKG von Personen besetzt wird, die kaum Wissen zu oder Sensibilität gegenüber Diskriminierungserfahrungen haben, wie sollen Betroffene dann hier Unterstützung erhalten?

Weiterer Druck auf die prekär Beschäftigten

Ein ausgelobtes Ziel der vorgelegten Novelle ist »Verbesserung der Rahmenbedingungen für befristete Arbeitsverhältnisse« (siehe parlament.gv.at). Dies soll dadurch erreicht werden, dass sogenannte Kettenverträge verunmöglicht werden. Dazu muss man wissen, dass das Universitätsgesetz einiges regelt, was für andere Berufe im allgemeinen Arbeitsgesetz geregelt ist.

Das derzeit gültige Universitätsgesetz sieht bspw. vor, dass bestimmte Angestellte nur befristet angestellt werden dürfen (wenn diese über sogenannte Projektmittel finanziert werden) und dass mehrere befristete Arbeitsverträge möglich sind. Je nachdem ob eine:r teil- oder vollzeit-beschäftigt ist, können bis zu zwölf Jahre befristete Verträge vergeben werden (in einer Kette). Danach sollten die Mitarbeiter:innen unbefristete Verträge erhalten. In der Praxis sieht dies selbstredend anders aus. In der Regel vergeben Universitäten keine unbefristeten Verträge an die befristet angestellten Forscher:innen und Lehrenden. Vielmehr werden die Arbeit-nehmer:innen mehr oder weniger explizit aufgefordert, ein Jahr zu pausieren (bspw. sich arbeitslos zu melden), danach können sie wieder einen befristeten Vertrag erhalten. Und so reiht sich eine Kette an die nächste. Dieser Zustand ist für viele an der Universität Tätigen eine große Belastung, insofern gibt es hier durchaus großen Handlungsbedarf.

Die Novelle sieht nun eine Einschränkung dieser Aneinanderreihung von »Ketten« vor. In Zukunft sollen befristet Beschäftigte nur noch bis zu maximal acht Jahre an einer Universität befristet beschäftigt werden dürfen. Danach können diese nur noch einen unbefristeten Vertrag erhalten. Die kolportierte Intention dahinter ist, dass Universitäten damit motiviert werden sollen, den Mitarbeiter:innen, die sie bisher schon befristet beschäftigten, entweder eine langfristige Perspektive zu bieten, oder aber klar zu kommunizieren: »Das wird nix.«

Klingt doch gut – was ist das Problem? Es wird übersehen, dass dies sehr ungleiche Ausgangsbedingungen sind. Die jetzt prekär Beschäftigten haben kaum etwas in der Hand, um einen anderen Vertrag zu verlangen. Denn es ist zu bezweifeln, dass es mehr unbefristete Verträge geben wird. Damit steht im Raum, dass die Universitäten den Druck auf die prekären Mitarbeiter:innen auslagern. Warum auch sollten Universitäten auf einmal mehr unbefristete Verträge ausstellen? Im gegenwärtigen Zustand können sie die Kosten und das Risiko auf die prekarisierten Mitarbeiter:innen auslagern. Der Blick über die Grenzen nach Deutschland zeigt, dass solche Beschränkungen meist zu Lasten jener gehen, deren Wissenschaftskarrieren nicht dem idealtypischen Mainstream entsprechen. Für viele derzeit Lehrende und Forschende kommt diese Änderung – wenn es keine flankierenden Maßnahmen gibt – einem Berufsverbot gleich. Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft langwierig ausgebildete und hochqualifizierte Forschende und Lehrende mit Mitte vierzig »ausgemustert« und durch jüngere Absolvent:innen ersetzt werden, die wieder befristet werden können. Auch wenn manche behaupten, dass auf diese Weise »frischer Wind« an die Universitäten gelange und der »Nachwuchs« eine Chance erhalte, wird so Wissen und Expertise verschleudert. Dieses System dient vor allem dazu, möglichst unbegrenzt mit befristeten Anstellungen zu arbeiten. Für Dozent:innen, d. h. habilitierte Lehrende ohne Professur, kann die neue Regelung darüber hinaus dazu führen, dass sie sich zwischen unbezahlter Arbeit oder dem Verlust ihrer Venia (Lehrbefugnis) und daher dem Dozent:innen-Status entscheiden müssten. Es bleibt auch zu befürchten, dass hier bestimmte Fachbereiche, die jetzt schon schlechter ausgestattet sind als andere, wie beispielsweise die Gender Studies, in Zukunft noch mehr unter Druck geraten. In Summe kommen wir nicht umhin festzustellen: Das ist nicht das Universitätsgesetz, das wir brauchen. Ein anderes Universitätsgesetz ist nötig und möglich!

Elisabeth Günther, Sozialwissenschaftlerin, Universitätsassistentin am Zen-trum für Lehrer: innen bildung der Universität Wien, Vorstandsmitglied der ÖGGF.

Dagmar Fink, ›freie‹ Literatur- und Kulturwissenschafterin, Übersetzerin und Lehrbeauftragte. Derzeit Obperson der ÖGGF und im Beirat des VfW.

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Gelesen 4012 mal Letzte Änderung am Samstag, 27 Februar 2021 10:28
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