Dass innerhalb von Polizei und Justiz rechte, ja rechtsradikale Gesinnung stark verbreitet ist, ist ein offenes Geheimnis. Dagegen ist schwer vorzugehen. Das, was jemand wirklich denkt, ist leicht zu verbergen. Zudem ist Gesinnungschnüffelei eine Methode konservativer und rechter Regime. Wenn jedoch richterliche Entscheidungen offenbar durch rechte Gesinnung und Sympathien für rechtsradikale Einstellungen und Ideen bestimmt werden, darf dies nicht schweigend hingenommen werden. Zwei höchst problematische Urteile gab es in jüngster Vergangenheit. Ein wichtiges, bedeutendes Urteil und ein weniger wichtiges, aber umso symptomatischeres.
Da ist einmal die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, die Bundespräsidentenwahl zu wiederholen. Wie Verfassungsexperten, unter anderem Alfred J. Noll erklärten, sei dieses Urteil alles andere als zwingend gewesen. Gesetze können sich nicht selbst anwenden, sie sind zu interpretieren und auf den Kontext zu beziehen. Dass gerade jetzt und gerade nach dieser Wahl mit gewissen Schlampereien bei der an sich korrekten Auszählung der Stimmen Schuss sein muss, ist eine offensichtlich politisch motivierte Sichtweise. Tatsächlich bedeutet dieser höchstrichterliche Entscheid eine nie dagewesene Destabilisierung des politischen Systems in Österreich. Wem er nützt, muss wohl nicht hinzugefügt werden.
Nun zum kleineren Fall. In Graz ging es um einen Prozesse gegen sieben Mitglieder der protofaschistischen Identitären, die nach einer antifaschistischen Demonstration eine Gruppe junger Studierender unter anderem mit Schlagstöcken angriffen. Es gab Zeugen und sogar ein Video, in dem der Überfall dokumentiert ist. »Doch trotz der Bilder, Zeugenaussagen und ärztlicher Atteste stellte die Staatsanwaltschaft Graz das Verfahren gegen die Unterstützer der Gruppierung ein. Der Grund: Die Behörde wollte den Antifaschisten keine ‚erhöhte Glaubwürdigkeit zusprechen und nannte deren Verletzungen ›nicht zuordenbar‹ «, so der Standard vom 5. Juli 2016. Welche Gesinnung diese Entscheidung zur Einstellung des Verfahrens getragen hat, ist wohl offensichtlich. Diese beiden skandalösen juristischen Entscheidungen stehen leider in einer gewissen Tradition. Erinnern wir uns an die Operation Spring 1999, in der mit einer Flut von Haftstrafen wegen angeblichen Drogenhandels gegen die schwarze Community vorgegangen wurde. Die Methode, sich auf die Aussage von vermummten und anonymen Kronzeugen zu stützen, wurde laut Wikipedia-Eintrag inzwischen durch den Obersten Gerichtshof als unzulässig befunden. Ein weiteres Kapitel stellte der Prozess gegen Tierschützer da, die mittels eines willkürlich angewandten Antimafia-Paragraphen schwer kriminalisiert werden sollten. Zum Glückt endete dieser Prozess mit Freisprüchen.
Richterliche Entscheidungen sind nicht sakrosankt. Wer dagegen protestiert und nahe liegende Interessen und Einstellungen aufdeckt, die solche Urteile offensichtlich motiviert haben, stellt keineswegs den Rechtsstaat in Frage, sondern versucht ihn im Gegenteil zu bewahren. Wohin Rechtsbeugung und Justizwillkür führen kann, das können wir aktuell unter anderem leider in der Türkei beobachten. Dort ist offenbar jedes juristische Mittel recht, um den kurdischen Widerstand zu brechen. Wenn ein Rechtsstaat wirklich Rechtsstaat sein und bleiben will, dann haben Gesinnungsurteile keinen Platz. Das gilt es unmissverständlich klarzustellen.