Fernsehköche sind beliebt und keine neue Erfindung. Mit dem offiziellen Start eines regelmäßigen Fernsehprogramms wurde der erste TV-Koch gezeigt und den Frauen der Kochlöffel aus der Hand genommen.
Von BÄRBEL DANNEBERG.
Nach ihrer Hochzeit brachte »Rose sich hektisch das Kochen bei, wobei sie sich ausschließlich auf das voluminöse Handbuch der amerikanischen Küche verließ, das sie von ihrer Mutter zum Geburtstag bekommen hatte, das ›Settlement Cook Book‹ mit dem Untertitel ›Der Weg zum Herzen deines Gatten‹«. In seinem Roman »4 3 2 1« beschreibt Paul Auster eine Welt, die damals in den amerikanischen Fünfzigerjahren noch in Ordnung war: Frauen ließen sich heiraten und erlernten rasch das handwerkliche Küchenkönnen, das den Gatten glücklich macht. Ging die Ehe daneben, hatte sie wahrscheinlich ihre Pflichten nicht nur auf diesem Gebiet vernachlässigt. Denn eines war klar: Kochen ist Frauensache.
Good Food mit Sahne
Zuerst mit dem Radio und später mit dem Fernsehen kam der von Männern erteilte Nachhilfeunterricht. Was eine Frau eigentlich »von Natur aus« können sollte und was sie durch (Groß-)Mutter oder Hauswirtschaftskunde dennoch nicht erlernt hatte, wurde ihr mit den neuen Medien von den Herren der elektronischen Schöpfung beigebracht. Die erste Kochsendung im Fernsehen wurde bereits kurz nach Aufnahme des teilweise noch experimentellen Programmbetriebs in Großbritannien bei der BBC am 21. Januar 1937 ausgestrahlt. Clemens Wilmenrod (1906–1967), ein deutscher Schauspieler, war ab 1953 der erste deutsche Fernsehkoch und gilt als Erfinder des Hawaii-Toasts. Heute brutzelt, zischt und blubbert es auf allen Kanälen. Doch die Art der Sendung hat sich über die Jahre verändert. Erst trat der Service zugunsten der Unterhaltung zurück, dann wurde aus der netten Plauderei ein Wettrennen. Auch zwischen den Geschlechtern. Frauen wie Barbara van Melle holten sich mit Slow Food-Sendungen ihr Terrain wieder zurück, setzten auf gesundes Essen, und die Fernseh-Köchin Sahra Wiener, die es von ausrangierten Suppenküchenwagen aus der Ex-DDR zu schicken Lokalen in Berlin gebracht hat, rührte später für die österreichischen Grünen die politische Suppe um.
Ich bin zufällig in eine dieser Kochsendungen geraten, die inflationär die Flachbildschirme erobern. Ich hab’ mir das ja nie angeschaut, denn kochen kann ich selber, aber das war eine Überraschung spät nach Mitternacht: eine schicke Küche aus Chromstahl, die alle Stückerln höchster technologischer Ausstattung spielt, tolle Töpfe, Schab-, Klopf-, Schmatz-, Lach-, Grunz- und Rührgeräusche zu den knapp gehaltenen Inserts »Pfeffer«, »Mehl«, »Zucker«, »Germ (Hefe)« – wohl für die größte Ausländergruppe hierzulande, die Deutschen, gedacht – und, frau staune: »Wachteleier« – die feine Delikatesse des Adels gibt es ja heute in fast jedem Supermarkt.
Die größere Überraschung aber war der coole Cook himself: Sehr lässig griff er mit seinen schmuddeligen Patschhändchen lustvoll in den Germteig, die langen Dreadlocks fielen über den Schüsselrand, und als Erscheinung glich er eher einem Klugschauenden auf einem Alternativkongress für erneuerbare Energie als einem Hausmännchen, das zum Haushalten verdonnert wurde. Am meisten aber war ich überrascht, wie viel körperliche Energie der Kochkünstler für seine vorgeführte Vor-, Haupt- und Nachspeise verschwendet hat. Typisch Mann, hab’ ich gedacht, die aufwändigen Hand- und Kunstgriffe standen für mich jedenfalls in keinem Verhältnis zum smarten Resultat.
Cooles Cooking
Was bei Jamie Oliver und anderen Fernsehköchen so entspannt wirkt: Sie greifen mit ihren derben Männerhänden locker, fast könnte man sagen: respektlos hinein in die Lebensmittelflut. Ein Resultat unseres satten Wohlstands. Geht was daneben – nicht so schlimm. Hygiene? – nur nicht verkrampfen. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat untersucht, welchen Einfluss das im Fernsehen gezeigte Küchenhygieneverhalten auf Hobbyköche hat, die das Gericht selbst zubereiten. Das Ergebnis: Personen, die das Kochvideo mit einer vorbildlichen Küchenhygiene gesehen hatten, ergriffen beim Nachkochen häufiger die empfohlenen Hygienemaßnahme. In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 100.000 Erkrankungen gemeldet, die wahrscheinlich auf lebensmittelbedingte Infektionen mit Mikroorganismen wie Bakterien, Viren oder Parasiten zurückzuführen sind.1
Vielleicht hat die männliche Spezies kein so intimes Verhältnis zum Händewaschen. Was aber treibt sie verstärkt an den Küchenherd oder lässt sie zur Häkel- und Stricknadel greifen? Ist das neue heimische Lustversprechen im eiskalten Entfremdungsprozess der Arbeitswelt ein Resultat feministischer Erziehung? Ein neues Biedermeier? Oder gar eine Geschlechterumkehr – Frauen in die Chefetagen und Männer in die Kantinen? Wie das Leben selbst, ist der Gesinnungswandel dieser sympathischen jungen Männer wohl auch banalerer Art. Bei den Gourmets lässt sich noch was holen: mediale Aufmerksamkeit, existenzielles Nischendasein im Gastgewerbe, eingekochte Zukunft im Alternativlook sozusagen. Bleibt zu hoffen, dass sich dies auch positiv auf die niedrige Lohnstruktur im traditionell weiblichen Betätigungsfeld auswirkt.