»Gemeinnütziger« Wohnbau und seine Reform

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Nach dem Ende ihrer Regierung setzten ÖVP und FPÖ im Parlament noch im Juli 2019 die geplante Reform des WGG (Wohnungsgemein­nützigkeitsgesetzes) durch. Die Reform steht im Zeichen des Paradigmas »Eigentum zuerst«.

BERNHARD WERNITZNIG schreibt darüber, was die Reform noch bringt und welche Rolle die »Gemeinnützigen Wohnbauvereinigun­gen« spielen.

Die Lage am Wohnungsmarkt hat sich zugespitzt. Langfristige und für die breite Mehrheit leistbare Mieten im priva­ten Sektor gehören der Vergangenheit an. Der kommunale Wohnungsneubau wurde in ganz Österreich aufgegeben und damit sinkt der Anteil der Gemeindebauten am Wohnungsangebot drastisch. Frei finan­zierte Eigentumswohnungen sind für breite Teile der Bevölkerung unleistbar. Damit bleibt für viele nur die Miete einer »Genos­senschaftswohnung«. Die zumeist gefördert errichteten Wohnungen erfordern den Ein­satz eines Eigenmittelanteils der Mieter* in/des Mieters an den Bau- und Grundkos­ten. Diese Wohnungen werden von Gemein­nützigen Wohnbauvereinigungen (GBVs) errichtet, die nur beschränkt Gewinn ma­chen und ausschütten dürfen. Das Eigenka­pital ist zweckgebunden und muss im Woh­nungsbau reinvestiert werden, solange die Wohnbauvereinigung gemeinnützig bleibt. Dafür genießt die GBV entsprechende steu­errechtliche Vorteile. Die Zweckbindung und die dauerhafte Beschränkung der Miet­höhe nach dem Prinzip »Einmal WGG, im­mer WGG« ist grundsätzlich ein erfolgrei­ches Modell sozialen Wohnbaus, was sich in ihrem hohen Anteil am Wohnungsbestand und an der Neubauleistung zeigt.

Der massive Anstieg von Investitionen in Immobilien bringt aber auch im »gemein­nützigen« Sektor große Probleme mit sich. In den großen Städten und ihrem Umland kam es zu einem massiven Anstieg der Bo­denpreise. Damit steigen auch die Mieten und Eigenmittelanteile für Mieter*innen in Neubauprojekten. Mittlerweile müssen etwa in Wien beim Einzug in eine neue Genossen­schaftswohnung, je nach Größe und Projekt, 30.000 bis 50.000 Euro eingelegt werden. Durch die hohe Eigenmittelleistung bleibt für immer mehr Menschen mit geringen Einkommen der Zugang zu dieser Form so­zial geförderten Wohnens verwehrt.

Viele der »Gemeinnützigen« bauen mitt­lerweile nicht mehr ausschließlich geför­derte Sozialwohnungen. Sie passen sich an die neoliberalen Mitbewerber*innen an und errichten immer mehr frei finanzierte Objekte zu Marktpreisen. Sie begründen dies mit den hohen Bodenpreisen, die über den Förderkriterien liegen. Sie schaffen damit zum Teil eine Querfinanzierung zur Unterstützung der Bodenpreise, anderer­seits agieren sie dabei auch immer mehr wie gewöhnliche private Akteur*innen am Immobilienmarkt – die erlaubte Eigenmit­telverzinsung kann sich angesichts niedri­ger Marktzinsen auch sehen lassen.

Im Folgenden werden einige Punkte der WGG-Reform beleuchtet:

Eigentumsförderung

In ihrem Programm belehrte uns die Ibiza-Regierung, dass Eigentum »langfristig […] die angestrebte und günstigste Form des Wohnens« sei. Wenn wir uns die Mieten nicht mehr leisten können – dann sollen wir also die Wohnungen einfach kaufen. Das soll auch im Gemeinnützigen-Bereich forciert werden. Mit der WGG-Novelle muss die GBV den Mieter*innen drei Mal den Kauf der von ihnen bewohnten Wohnung ermöglichen. Es ist zwar vorgesehen, dass diese Wohnungen danach nicht sofort zum profitablen Geschäft werden können. Für nunmehr 15 Jahre (bisher 10) soll ein profi­tabler Weiterverkauf oder eine marktkon­forme teure Weitervermietung verhindert werden. Das ändert jedoch nichts daran, dass die so verkauften Wohnungen nach Ablauf der so genannten »Spekulations­frist« dennoch freie Marktpreise und Mie­ten erzielen können. Die Wohnung fällt so aus dem Prinzip der Kostenbeschränkung heraus. Die ersten 15 Jahre ist bei Weiter­vermietung der erworbenen Wohnung eine Mietobergrenze – in der Höhe des miet­rechtlichen »Richtwerts« zu berücksichti­gen. Warum das Prinzip »einmal WGG, immer WGG« mit ihrer langwährenden sozialen Zweckbindung hier trotz Einsatz von Fördermitteln am Ende nicht mehr gilt, ist nicht nachvollziehbar und entzieht dem Wohnungsmarkt langfristig leistbaren Wohnraum.

Erhöhung von Altmieten und Kurzzeitvermietungen

Für Mieter*innen in alten, bereits abbezahl­ten Genossenschaftswohnungen könnte das Wohnen teurer werden. Bisher musste der Mietzins nach Abzahlung der Baukosten (die so genannte »Auslaufannuität«) am Ende auf ein niedriges Niveau abgesenkt werden, was sehr günstigste Monatsmieten bedeutete. Mit der Novelle darf in Zukunft nach Bezahlung der Errichtungskosten ein höheres Entgelt verlangt werden, wenn Sanierungsbedarf besteht, der nicht über den »Erhaltungs-und Verbesserungsbei­trag« abgedeckt werden kann. Ein Sanie­rungsbedarf ist für die Mieter*innen nicht wirklich überprüfbar, und es ist zu befürch­ten, dass die GBVs und privatisierte, ehe­malige Gemeinnützige gerne davon Gebrauch machen werden, um Wohnungen auf Mieter*innenkosten zu modernisieren.

Weiters wird im Gesetz erstmals in be ­stimmten Fällen die Kurzzeitvermietung erlaubt. Kurzzeitverträge sollen etwa bei anstehenden Sanierungen, bei besonderen »beruflichen Erfordernissen« (etwa Pflege­berufen) oder »prekären Familienumstän­den« zur Anwendung kommen. Menschen sollen mit diesen Kurzzeitverträgen also in diesen prekären, unsicheren Umständen gehalten werden, anstatt für sie eine unbe­fristete Wohnmöglichkeit zu schaffen.

Exklusion von Drittstaatsangehörigen

Die Wohnungsvergabe an Drittstaatsange­hörige wird in Zukunft mit der Bedingung eines über fünfjährigen legalen Aufenthalts und einer Integrationsprüfung verknüpft. Derartige Bestimmungen, also Zugangshür­den für Migrant*innen wurden bisher in einigen Landesgesetzen zur Wohnbauförde­rung und dementsprechend unterschied­lich geregelt. Die Wohnungssuchenden treffen nun unabhängig vom Bundesland weitere Diskriminierungen: Es soll eine Integrationsprüfung vorgelegt werden, und der über fünfjährige Aufenthalt muss nach­gewiesen werden. Wohnungsverwaltungen der Genoss*innenschaften sollen so zum weiteren Stolperstein im Migrationsregime und ein verlängerter Arm der Fremdenpoli­zei werden. Das Menschenrecht auf Woh­nen wird durch diskriminierende Bestim­mungen ausgehebelt – die Betroffenen dür­fen über ihre Lohnsteuern sehr wohl die Wohnbauförderung und andere staatliche Leistungen finanzieren, aber bekommen keinen Zugang zu den damit errichteten Gebäuden.

Bauwut statt Mitbestimmung

Die Gemeinnützigen sind auf Bauland, Bau­bewilligungen und Wohnbauförderungen angewiesen, die (Lokal)Politik auf ein Ange­bot halbwegs leistbarer Wohnungen für die Mittelschicht. Die Existenzgrundlage und Macht der Gemeinnützigen baut auf ihrem großen Bauvolumen auf: Sie wollen in ers­ter Linie bauen – ob dies auch für alle leist­bar bleibt, ist nebensächlich geworden – wenn es kein günstiges Bauland gibt, wird eben für die obere Mittelschicht gebaut.

Um wieder für die unteren Einkommens­gruppen zugänglich zu werden, müssten die Bodenpreise reguliert werden. Es gäbe einige Vorschläge, wie das erreicht werden kann, die von Baurechtsmodellen, Wid­mungskategorien bis hin zur Enteignung von Bauland im öffentlichen Interesse rei­chen. Es fehlt dafür aber jegliches politi­sches Interesse.

Zwischen Gemeinnützige und Politik passt kein Blatt Papier: Sie werden von den etablierten Parteien direkt – in der Geschäftsführung, den Vorständen und Aufsichtsräten, oder indirekt beeinflusst. Dieser Machtblock zeigt sich auch in der Eigentümer*innenstruktur: Während die »echten« Genoss*innenschaften normal im Eigentum ihrer Mitglieder stehen, werden die Geschäfte von parteinahen Personen gemanagt. Viele der anderen großen GBVs sind als GesmbHs oder Aktiengesellschaften organisiert und gehören Versicherungen, Kirchen, Banken, Kammern oder Gewerk­schaften. Einige GBVs haben mittlerweile Konzern-Strukturen herausgebildet und verfügen über Tochterunternehmungen für kommerzielle Wohn- und Gewerbeprojekte. Im Lauf der Jahrzehnte wurden viele klei­nere gemeinnützige Bauvereinigungen von den Großen übernommen oder haben die Gebäudeverwaltung an diese abgegeben.

Angesichts dieser engen Verzahnung mit dem politischen System verwundert es nicht, wenn der »Verband der Gemeinnüt­zigen Wohnbauvereinigungen« die aktuelle WGG-Reform nur begrüßt. Ein Wort der Kritik sucht man in ihrer Presseaussendung zur Novelle vergeblich.

Radikale Neuausrichtung der GBVS nötig

Korruptionsskandale bzw. »Unregelmäßig­keiten« bei Privatisierungen von GBVs gehören leider zur Tagesordnung und füh­ren zur Gefahr der Diskreditierung des Sozialen Wohnbaus als solchem. Buwog, Buntes Wohnen, Gesfö, Riedenhof, GBV- GÖD sind zu viele Einzelfälle, um über strukturelle Probleme hinweg zu sehen. Anstatt diese Probleme wirksam zu bekämpfen, haben FPÖ und ÖVP nun die bisher im WGG festgelegten Gehaltsober­grenzen für Vorstand und Geschäftsfüh­rung ganz gestrichen. Danach darf die FPÖ wieder über die hohen Gagen der roten Parteibonzen wettern, die sie soeben ermöglicht hat.

Die »Gemeinnützigen« sind wirtschaft­lich untereinander derart verzahnt, dass die verbandsinterne Kontrollinstanz – der Revisionsverband – dabei offenbar wenig ausrichten kann. Die Branche kon­trolliert sich selbst, und das anscheinend sehr wohlwollend. Eine Reform der Gemeinnützigen Wohnungswirtschaft wäre auch dahingehend dringend nötig.

Eine Demokratisierung und Entflech­tung von Immobilienkapital und Politik, neue Entscheidungs- und Eigentums­strukturen wären gefragt. Klare, effek­tive Gremien, die gewöhnliche Mieter* innen in Entscheidungen einbinden, aber auch fachlich kompetente unabhängige Kontrollorgane wären notwendige Ele­mente einer echten Reform. Am wich­tigsten wäre aber zunächst, dass in der Wohnungsproduktion eine Rückbesin­nung auf das Kerngeschäft folgt – die geförderte Mietwohnung – was die Ver­sorgung mit leistbaren Grundstücken voraussetzt.

Wie geht’s wohnpolitisch weiter?

Zusammenfassend muss gesagt werden: Die WGG Reform hat für die einzelnen derzeitigen und künftigen Mieter*innen eigentlich nur Verschlechterungen und Risiken gebracht. Die letzte ÖVP/FPÖ-Re­gierung hat grobe Einschnitte ins Miet­recht dank Ibiza nicht mehr umsetzen können – aber auch hier sind Reformen zu erwarten, die massiv gegen Mieter*in­neninteressen laufen. Sollten die Parteien der Immowirtschaft im September eine stabile Mehrheit erhalten, wie derzeit zu erwarten, wird Wohn- und Mietenproble­matik ein zentrales Feld der sozialen Aus­einandersetzung bleiben. Gruppen, die sich um das Recht auf Wohnen und Mie­ter*innenrechte organisieren, werden also Verstärkung brauchen.

Bernhard Wernitznig arbeitet als Sozial ­arbeiter bei der Straßenzeitung Augustin und engagiert sich bei der Mieter* innen-Initiative (MI) in Wien

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Gelesen 6111 mal Letzte Änderung am Donnerstag, 29 August 2019 16:52
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