Bildtext: Das letzte Bezirksderby in Jakomini. Die Tramway Funatix, Ultras des Grazer Sportklub Straßenbahn, würdigten in einer eindrucksvollen Choreografie die Heimstätte ihrer Nachbarn. Bildtext: Das letzte Bezirksderby in Jakomini. Die Tramway Funatix, Ultras des Grazer Sportklub Straßenbahn, würdigten in einer eindrucksvollen Choreografie die Heimstätte ihrer Nachbarn. KK

FUSSBALL: Tragödie und Sittenbild

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Ein tief mit der Grazer Schönau-Siedlung verwachsender Traditionsverein wurde entwurzelt. Wie eng Sport- und Sozialpolitik zusammenhängen, zeigt sich aktuell und drastisch.

Von Stefan Herzog und Hanno Wisiak

Mit 30. Juni hat die Grazer Sportvereinigung Wacker den Spielbetrieb ihrer Kampfmannschaft einstellen müssen. Auch beim Nachwuchs hapert es. Dem traditionsreichen Fußballverein droht nun das endgültige Aus.

Lost Ground Körnerplatz

Am Anfang stand der Verlust der Heimstätte. Der legendäre Körnerplatz mitten in der Gemeindebausiedlung im Schönauviertel musste einer modernen, nach einer Bank benannten Ballsporthalle, in der Hüttenbrennergasse weichen. Der Verein war in der Schönausiedlung tief verwurzelt. »Was der Verein hier in Sachen Sozial- und Integrationsarbeit über viele Jahrzehnte geleistet hat, ist nicht hoch genug einzuschätzen«, sagt KPÖ-Gemeinderat Horst Alič.

Bis zu 100 Jugendliche und Kinder aus der direkten Umgebung fanden im Verein ein herzliches Zuhause. Auch Größen wie Sturm-»Bomber« Mario Haas und Valentino Lazaro, Inter-Mailand-Kicker mit GAK-Vergangenheit, spielten am Körnerplatz.

Fußball-Brennpunkt Jakomini

Der sechste Grazer Bezirk ist der am dichtesten besiedelte, Parks und Grünflächen sind rar. Er war auch immer schon das Epizentrum des Grazer Fußballsports. Schon für den SK Sturm und den Grazer SC war der Augarten Ausgangspunkt großer Ereignisse. Auch der SC Wacker Graz und die Grazer Sportvereinigung (GSV) entstanden in der Zwischenkriegszeit in Jakomini – und gingen lange Jahre eigenständige Wege. Der Körnerplatz wurde nach der Fusion zur Heimat – im umfassenden Sinn des Wortes.

»Die Wacker braucht die Schönausiedlung. Die Schönausiedlung braucht die Wacker«, betont Alič. Bei Turnieren halfen viele Hände aus dem Grätzel mit. Die Kinder kickten, die Eltern halfen beim Einlass, schenkten beim Buffet aus oder waren sogar Schiris.

Als Ersatz für den Verlust des Körnerplatzes stellte Sportstadtrat Kurt Hohensinner (ÖVP) der GSV Wacker lange eine neue Bleibe auf dem Gelände der ehemaligen Kirchnerkaserne in Aussicht. Die Hoffnung zerschlug sich dann endgültig im Oktober 2017. In der Gemeinderatssitzung tat Stadtrat Kurt Hohensinner (ÖVP) kund, die Zukunft der Wacker am Postplatz zu sehen. Der befindet sich am anderen Murufer, zu Fuß gut eine Dreiviertelstunde entfernt. Damit hat das traurige Schicksal seinen Lauf genommen.

Die Kinder blieben mit der Umsiedelung aus. Ein Teil der Kinder wurde zwar von Grazer Sportklub Straßenbahn aufgenommen – doch bei weitem nicht alle, sind doch auch die Kapazitäten des GSC längst erschöpft.

Die vom Sportstadtrat angesprochene »Chance« des Vereins, fußballbegeisterte Kinder und Jugendliche im nahegelegenem »Brauquartier« zu finden, stellte sich als Illusion heraus. In diesem Siedlungskoloss in Puntigam gibt es die nämlich kaum, besteht er doch hauptsächlich aus Wohnungen für Anleger, Singles und Pärchen. Ein Kind konnte für die Jugend von Wacker gewonnen werden.

Kaum noch innerstädtischer Fußball

Generell ist der Vereinsfußball in Graz in den letzten 25 Jahren immer mehr in Bedrängnis geraten. Die Klubs plagen finanzielle Sorgen: Die Subventionen der Stadt sind gering, SponsorInnen nur schwer zu gewinnen. In den Umlandgemeinden im Speckgürtel ist das anders, wie Alič ausführt: »Dort fließt nicht nur viel Geld von den Gemeinden, sondern auch die örtlichen Bäcker-, Maler-, Tischer- und Fleischhackermeister unterstützen die Klubs. So einen unmittelbaren Zusammenhalt im Lebensumfeld gibt es in einer neoliberalen Stadt kaum noch.« Die Registrierkassenpflicht war dann das Tüpfelchen auf dem I.

Die Sportplätze gibt es vorwiegend nur noch in den Randbezirken. Neben dem GSC hat nur noch die Grazer Austria einen innerstädtischen Platz. Dabei musste der legendäre Sportklubplatz dem Tower-Projekt des Styria-Konzerns weichen und in die »Gruabn« übersiedeln. Die ehemalige Heimstätte des SK Sturm liegt jedoch zum Glück in unmittelbarer Nachbarschaft, was aber auch bedeutet, dass »Investoren« schon lange ein Auge auf das Areal geworfen haben. Eine Umwidmung in Bauland ist derzeit allerdings wenig wahrscheinlich, die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Gemeinderat so gut wie ausgeschlossen.

Schwarz-Blau verweigert sich Problemlösung

Mit einem Dringlichkeitsantrag im Gemeinderat versuchte die KPÖ, der GSV Wacker in ihrem angestammten Bezirk wieder eine Zukunft zu bieten. Sportstadtrat Hohensinner und die Gemeinderatsmehrheit von ÖVP und FPÖ verweigerte sich jedoch einer Lösung. Die Möglichkeit auf dem Areal der Kirchnerkaserne, die Hohensinner lange Zeit selber immer wieder ventiliert hatte, wurde verhindert. Stattdessen wurde ein Abänderungsantrag der ÖVP beschlossen, der auf einen »Fußballgipfel« im Rathaus vertröstet. Damit scheint das ebenso traurige wie absehbare Schicksal der Wacker wohl besiegelt.

Der »Fußballgipfel« findet am 11. September statt. Den Spielbetrieb ihrer Kampfmannschaft hat die GSV Wacker jedenfalls bereits eingestellt.

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Gelesen 6760 mal Letzte Änderung am Freitag, 26 Juli 2019 15:18
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