Bärbel Danneberg (2. v. li.), Chefredakteurin der »Stimme der Frau« bis zur Einstellung im Jahr 1993, auf einer Werbefahrt nach Linz mit Maria Grubauer-Lautischer (li.) und Ilse Knapp mit Tochter (re.). Bärbel Danneberg Bärbel Danneberg (2. v. li.), Chefredakteurin der »Stimme der Frau« bis zur Einstellung im Jahr 1993, auf einer Werbefahrt nach Linz mit Maria Grubauer-Lautischer (li.) und Ilse Knapp mit Tochter (re.). FOTOS: BILDARCHIV DER KPÖ

STIMME DER FRAU: Alternativ schon vor der Zeit

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Die allererste Frauenzeitschrift der Zweiten Republik erschien erstmals im Oktober 1945 und letztmals im Mai 1993. Dazwischen liegt ein halbes Jahrhundert Geschichte, die sich in den einzelnen Ausgaben der Stimme der Frau widerspiegelt.

Von BÄRBEL DANNEBERG

In diesen Tagen, in denen Österreich die tiefste Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges durchlebt, wirken die Worte von Hella Prostanecky wie ein Fanal: »Zwölf Jahre des Schweigens liegen hinter uns, zwölf lange, harte Jahr, in denen Män­ner und Frauen, die ihre Stimme gegen die blutige Herrschaft des Faschismus zu erhe­ben wagten, in Konzentrationslager ver­schickt, zu Tode gemartert, auf dem Scha­fott hingerichtet wurden. Viele österrei­chischen Frauen und Mädchen kämpften, duldeten, litten und starben um ihrer Über­zeugung willen, aber sie beugten sich nicht. (...) Die Frauen sind heute eine politische und wirtschaftliche Macht. Sie werden kraft ihrer Mehrheit dem österreichischen Staat durch ihre Stimme bei den kommen­den Wahlen das Gepräge geben.« Dieser Auszug ihres Geleitwortes in der ersten Ausgabe der Stimme der Frau am 27. Oktober 1945 war ein Auftrag an künftige Frauenge­nerationen: Niemals Faschismus, nie wieder Krieg! Als Leiterin des Zentralen Frauenko­mitees der KPÖ, das in den ersten zwei Jah­ren die wöchentlich erscheinende Zeit­schrift herausgab, war die damalige Unter­staatssekretärin im Amt für Volksernäh­rung und damit erste Frau in einer österrei­chischen Regierung, Hella Postranecky, eine der Gründerinnen der Stimme der Frau.

Der lange kalte Schatten

In den ersten Nachkriegsjahren, in denen das Schicksal Österreichs noch ungewiss war, widmete sich die Stimme der Frau the­matisch den Überlebensfragen der Frauen und war bemüht, bei ihnen ein demokrati­sches Bewusstsein zu wecken und zu för­dern. »Die Frauen wissen heute, daß es gefährlich ist, die Politik den anderen zu überlassen und abzuwarten, was daraus wird. Sie müssen sich und ihre Kinder für alle Zukunft vor einer Wiederholung all des Furchtbaren sichern. Deshalb müssen sie verlangen, daß sie gehört werden. Sie müs­sen verlangen, daß man sie mitheranzieht, wenn über das Schicksal Österreichs bera­ten wird.« (Aus einem Artikel von Ilse Rol­let in Stimme der Frau 5/93)

Die ersten Nachkriegswahlen vom 25. November 1945 waren mit fünf Prozent bzw. vier Mandaten für die KPÖ eine Ent­täuschung. Hella Prostanecky, die für die KPÖ kandidiert hatte, gesteht diese Nieder­lage ein und sagt, »die Frauen haben die Vergangenheit gewählt«. Im ersten Jahr­gang wird in der Zeitschrift der Auseinan­dersetzung mit aktuellen politischen Fra­gen Raum gegeben. »Neben der Behand­lung der Nationalratswahlen liegt der Schwerpunkt in der kritischen Berichter­stattung über die äußerst schludrig durch­geführte Entnazifizierung in Österreich und die personelle Kontinuität bei so man­cher Ämtervergabe.» (Ilse Rollet)

Die Gründung des Internationalen Demo­kratischen Frauenbundes 1945 in Paris wird in der Stimme der Frau ausführlich erwähnt. 1946 wird der Bund Demokratischer Frauen Österreichs (BDFÖ) gegründet, der zum Ziel hatte, überparteilich mit Frauen zusam­menzuarbeiten, »ohne Rücksicht auf Reli­gion, Stand und Herkunft«. 1948 tritt der BDFÖ dem Internationalen Demokratischen Frauenbund bei, der 80 Millionen Frauen aus 30 Ländern der Welt (auch aus dem sozialistischen Lager) vertritt und eine Ver­tretung in der UNO hat. Diese Hinwendung zu einer Weltorganisation mit einer ein­deutig ideologisch-politischen Ausrichtung ging nicht ohne Widersprüche vor sich. So etwa haben Frauen der SPÖ einen Friedens­appell des Weltbundes an die UNO, den pro­minente linke Frauen wie Lina Loos, Eva Priester oder Grete Schütte-Lihotzky als erste unterschrieben haben und der dann von 100.000 Frauen unterstützt wurde, nicht unterzeichnet. Der lange Schatten des Kalten Krieges machte eine Zusammenar­beit von Frauen unterschiedlicher Weltan­schauungen schwer.

Krieg und Frieden

Die 1950er und 1960er Jahre waren noch immer von den Kriegsfolgen geprägt, der Suche nach Vermissten und den weiblichen Alltagsproblemen. Wiederkehrende The­men in der Stimme der Frau sind Familien- und Frauenrechtsfragen wie Geburtenkon­trolle, die Tragödien durch den § 144, der Schwangerschaftsabbrüche mit Gefängnis­strafen belegte, Rat bei zerrütteten Ehen, auch Missbrauch und Kinderschändungen kehren in den Artikeln wieder wie auch rechtliche Gleichstellung der Angehörigen von Vermissten, Adoptions- oder Pensions­fragen. Die erste BDFÖ-Frauenberatung fand am 25. April 1953 im Café Schwarzen­berg statt, in der besonders heftig das österreichische Familienrecht kritisiert wurde, das noch aus dem Postkutschenjahr 1812 stammte. Weitere Schwerpunkte: die Frauenarbeit (Hausfrauenarbeit ist Berufs­arbeit, so ein Artikel im Mai 1953), Berichte über den Kampf gegen Arbeitslosigkeit, für gleiche Bezahlung (z.B. bei den Tabakarbei­terinnen), Widerstand gegen die Preiserhö­hungen und den Mietenwucher. Was sich weiter inhaltlich durch dieses Jahrzehnt zieht: Der Kampf um den Frieden, internationale Frauensolidarität und gegen rechtsradikale Wiederbetätigung. Im März 1954 wird vom Kongress der öster­reichischen Frau in den Sophiensälen mit über 800 Delegierten und Gästen berich­tet. Ein Konzert im Großen Konzerthaus­saal mit den Sängerknaben anlässlich des Kongresses wird von Radio Wien übertra­gen.

Weiteres durchgängiges Thema dieses Jahrzehnts: Der Kampf um die Freilassung der Rosenbergs, die von den USA wegen angeblicher Atomspionage zum Tod ver­urteilt wurden. Ethel und Julius wurden trotz weltweiter Solidarität am 19. Juni 1953 in Sing-Sing auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.

Die Internationale Friedensbewegung, Frauenkongresse in Wien, Tagungen der Internationalen Demokratischen Frauen­föderation und Aktivitäten, die den Frau­enzusammenschluss anstreben, nehmen Raum ein in den Berichten. Aber auch: Atomkraft für den Menschen und eine Kampagne gegen Schmutz und Schund. 1953 sind große Anstrengungen zu sehen, Frauen für die Wahlgemeinschaft Öster­reichische Volksopposition am 8. Februar zu gewinnen, für die auch Grete Schütte-Lihotzky und Agnes Primocic kandidiert haben.

Praktische Alltagstipps werden ab Mitte der 1950er Jahre zunehmend mit neuen Technologien im Haushalt vorgestellt – Küchengeräte, Staubsauger, Radiogeräte... Im Juli 1956 ist der 1. Preis eines Stimme der Frau-Preisausschreibens eine elektri­sche Waschmaschine sowie 200 Nylon-Tischtücher... Ständige Inhalte: Schnitt­musterbögen, Haushalts- und Ernäh­rungstipps, Romanfortsetzungen und Schönheitstipps – jede Frau will schön sein (Jänner 1954). Am 14. März 1953 wird der Tod Stalins mit seinem Titelbild auf der Stimme der Frau betrauert und deswe­gen der Gschnasball abgesagt. Im Februar 1954 findet der Gschnasball in der Hof­burg statt.

Im Oktober 1955 werden zehn Jahre Stimme der Frau gefeiert. Der Kampf gegen die Teuerung und ein Warnstreik in Vor­arlberg spielen eine große Rolle in den Berichten. Über den Abschluss des Staats­vertrages habe ich nichts gefunden. Die Zeit bis Ende der 1970er Jahre bleibt noch einer genaueren Aufarbeitung vorbehalten.

Kollektives Miteinander

Die 1970er und 1980er Jahre bis zu ihrer Einstellung 1993 waren für die Stimme der Frau bewegte. Ich war, aus Westberlin kom­mend und durch die 68er Bewegung soziali­siert, von 1974 bis 1977 Redaktionsaspiran­tin und von 1977 bis zu ihrer Einstellung im Mai 1993 Chefredakteurin der Zeitschrift. In meiner Erinnerung sind die 1980er Jahre die fruchtbarsten verbunden mit den gra­vierendsten Veränderungen. Zum einen haben sich die Technologien verändert. Ich habe noch im Bleisatz, danach im Offsetver­fahren Zeitung gemacht. Der Computer kam erst Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre in die Redaktion, der kleine Mac-Clas­sic, was hatte ich Angst vor dem! Und wie viele Texte waren »plötzlich weg«. Zuvor war Vordenken eines Artikels wichtigstes Hilfsgut neben der Schere zum Austau­schen von Schreibmaschinenzeilen im Manuskript. Die Beliebigkeit eines schnell getippten Gedankens war beschränkt, viel­leicht auch kein großer Nachteil.

Zum anderen haben wir in den 1980er Jahren in der Stimme der Frau ein Redakti­onskollektiv aus unterschiedlichen Frauen ins Leben gerufen. Diese Zeit habe ich als die produktivste erlebt. Es war ein allge­meiner Aufbruch, die autonome Frauenbe­wegung hat uns gefordert, wir haben uns inhaltlich mit Themen beschäftigt, die bei älteren Leserinnen Irritationen hervorge­rufen haben. Ich erinnere mich an einen Artikel, den ich Ende der 1970er Jahre geschrieben und in welchem ich die Tücken von Teilzeit und prekären Arbeitsverhält­nissen beschrieben habe. Heute haben wir das traurig-bestätigende Resultat mit 200.000 von Altersarmut betroffenen Frauen.

Wir haben uns mit bis heute hochaktuel­len Themen wie weibliche Sexualität, Putz­frauendebatte, sexuelle Belästigung und Gewalt, Hausgeburt, Gen-Technologien, Wechseljahre usw. auseinandergesetzt – neben den altbewährten wie Antifaschis­mus, Friedensbewegung, Arbeitswelt, inter­nationale Frauenbewegung. Gravierende Änderungen gab es ab 1991 – die Auseinan­dersetzungen in der KPÖ spielten in die Redaktion hinein, finanzielle Mittel wurden gekürzt. Anstelle des Bundes Demokratischer Frauen, der bislang Herausgeberin war, gab ein Heraus­geberinnenkreis, der vorwiegend aus der autonomen Frauenbewegung bestand, die Zeitschrift heraus. Diese Zeit war geprägt von feministischen Standortbestimmungen und intellek­tuellen Debatten und der Anfang vom Untergang des Anspruchs, »allen Frauen« ein Sprachrohr sein zu wol­len.

Die letzte Ausgabe erschien im Mai 1993, nachdem die finanziellen Mittel der KPÖ im Zuge der DDR-»Abwick­lung« von der deutschen Treuhand­gesellschaft enteignet wurden und auch mir »meine Stimme« genom­men wurde. Das von autonomen Frauen gegründete Nachfolgeprojekt (sic!) gibt es heute auch nicht mehr. Was es neben dem BDFÖ schon noch gibt: feministische Medien wie die an.schläge (in denen ich manchmal schreibe), die Frauensolidarität, das AEP in Innsbruck und andere alterna­tive Medien, die »jung« sind im Ver­gleich zu so einer alten Dame wie der Stimme der Frau.

Gelesen 6997 mal Letzte Änderung am Donnerstag, 13 Juni 2019 11:28
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