Dass Verhältnis zwischen Linken und Ökologie ist hierzulande nach wie vor kompliziert. Obwohl die größten Erfolge sozialer Bewegungen, die Verhinderungen der Kraftwerke Zwentendorf und Hainburg, beide ökologisch motiviert waren, tun sich viele noch immer schwer mit «der Umwelt». Angesichts der Dringlichkeit und Notwendigkeit, mit der dem verheerenden Klimawandel begegnet werden müsste, ist dies eigentlich verwunderlich – steht und fällt mit ihnen doch nicht nur die Möglichkeit gesellschaftlicher Befreiung, sondern überhaupt jene des Überlebens der menschlichen Gattung.
Verheerendes Kapitalozän
Jason W. Moore und Raj Patel haben ein Buch verfasst, dass die Wichtigkeit der Verbindung sozialer und ökologischer Kämpfe plastisch vor Augen führt – und dies, obwohl es kein politisches Manifest, sondern eine sozialhistorische Studie ist. Der Untertitel ist dabei Programm: Moore und Patel, der an der Wallersteinschen Weltsystemanalyse geschulte Sozialhistoriker und der aktivistische Ökonom und Ex-Weltbanker, zeichnen die Geschichte des Kapitalismus anhand von sieben »billigen Dingen« nach. Sieben Dinge, die stets auch aufeinander verweisen und miteinander verbunden gerade durch ihre »Billigkeit« erst überhaupt ermöglichen, dass sich die Warenproduktion verallgemeinert und somit der Kapitalismus den gesamten Erdball sich so verheerend untertan machen kann.
Die Autoren sprechen hinsichtlich der neuen Etappe der Menschheitsgeschichte nicht vom allseits beliebten Anthropozän, sondern vom Kapitalozän, also einer Epoche, in dem sich das Kapitalverhältnis sowohl die Menschen (und ihre Arbeitskraft) als auch die Natur rücksichtslos zunutze macht zu einem einzigen Zweck: der Generierung von Profiten.
Die sieben Dinge
Was aber sind die sieben Dinge? Natur, Geld, Arbeit, Pflege, Nahrung, Energie und Leben. Ihnen ist gemein, dass sie durch das Kapitalverhältnis gratis oder zumindest eben »billig« angeeignet werden. Diese Aneignungsbewegung ist, so die Autoren in der Tradition Rosa Luxemburgs, Voraussetzung für die Existenz des Kapitalismus. Kann diese permanente – und nicht wie noch Marx glaubte »ursprüngliche« – Akkumulation von Gemeingütern nicht mehr fortgesetzt werden, kommt der Kapitalismus in eine existenzielle Krise. Dieser Situation nähern wir uns heute in Riesenschritten. Es ist eine der Stärken des Buches, dass es die Aneignung dieser sieben Dinge sowohl in ihrer Historizität als auch als stets umkämpfte darstellt und analysiert.
Eine kommunistische Politik, so mein Fazit, muss ökologisch sein oder sie ist nicht. Mit dem Warencharakter der menschlichen Arbeitskraft war und ist jener unserer stofflichen Umwelt untrennbar verbunden. Was dies in letzter Konsequenz bedeutet, zeigen die wissenschaftlichen Diagnosen den Klimawandel betreffend. Der notwenige radikale Bruch ist von gleich welchen Politiker_innen nicht zu haben. Und so ist es also an den sozialökologischen Grassroots-Bewegungen, den internationalen Organisationen der Kleinbäuerinnen und den indigenen Widerstandskomitees, die Voraussetzung zu schaffen für eine im Wortsinne lebenswerte Welt: Es kommt darauf an, einerseits den Kapitalismus am Funktionieren zu hindern – und andererseits Alternativen nicht nur zu benennen, sondern auch zu leben. Das »Warum« erklärt dieses Buch, und das ist sein nicht zu überschätzender Verdienst.
Jason W. Moore und Raj Patel: Entwertung. Eine Geschichte der Welt in sieben billigen Dingen. Rowohlt Berlin 2018, 350 Seiten, € 24,70