Salzburgs Umgang mit seiner NS-Vergangenheit Christian Kaserer Alle orig. Fotos: Christian Kaserer
20 August

Salzburgs Umgang mit seiner NS-Vergangenheit

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Die Stadt Salzburg macht es sich wahrlich nicht leicht. Einerseits ist sie eine Menschenrechtsstadt, andererseits berüchtigt für ihre Brutalität gegenüber Bettlerinnen und Bettlern. Auch im Umgang mit der eigenen Vergangenheit zeigt sich Salzburg ambivalent. Mozart, Bernhard und Trakl sind allgegenwärtig und verwandeln die Landeshauptstadt in ein Freiluftmuseum. Die NS-Geschichte indes wird klein gehalten, verschwiegen und nahezu pathologisch schön geredet. Gerade in jüngster Zeit sorgten zwei prominente Fälle für internationales Aufsehen.

So war ein Preis für sogenannte Volkskultur nach einem gewissen Tobi Reiser benannt. Jener Reiser war unter den Faschisten wegen seines Engagements bekannt, eben jene Volkskultur von Juden säubern zu wollen. Nach dem Aufkommen dieser Debatte, sprachen sich die Grünen in Salzburgs Landesregierung schnell dafür aus, den Preis umzubenennen. Der schwarze Koalitionspartner allerdings gab sich schweigsam, wollte davon nichts wissen, erst recht nichts dazu sagen und verwies darauf, dass ein privater Verein den Preis verleihen würde, es also dessen Angelegenheit sei und die Politik sich hier nicht einzumischen habe. Sonderbar, wo man doch sonst überall seine Netzwerke hat. Freuen kann man sich allerdings immerhin über den Verein, welcher sich auch für das Adventsingen verantwortlich zeigt. Dieser nämlich lenkte ein und will den Preis künftighin in anderer, komplett neuer Form vergeben.

Nicht zu einem Abschluss kommen will indes die Diskussion um Josef Thorak, den Lieblingsbildhauer Adolf Hitlers. Der Günstling des Regimes war internationales Propagandamittel, befand sich auch auf der Liste der »Gottbegnadeten« und wird seit den 1960er Jahren in Salzburg mit einer eigenen Straße geehrt. Zwei seiner monumentalen, germanisierenden Plastiken stehen überdies im Salzburger Stadtzentrum im Kurgarten, gleich neben dem weltbekannten Mirabellgarten. Tausende Menschen promenieren täglich an »Kopernikus« und »Paracelsus« vorbei und wissen ob fehlender Beschilderung nicht, worum es sich dabei handelt. Eine breite Front formierte sich inzwischen gegen Thorak. So brachte die Grüne Gemeinderätin Ingeborg Haller einen Antrag zu Umbenennung der Straße ein, welcher jedoch an den anderen Fraktionen scheiterte. Die sozialdemokratische Stadtführung um Bürgermeister Heinz Schaden will nichts von solchen Dingen wissen. Auch der KZ-Verband/Verband der AntifaschistInnen verlangte mehrfach eine Namensänderung der Straße und die Benennung des geplanten »Bildungscampus Gnigl« nach dem lokalen Widerstandskämpfer Franz Ofner. Salzburgs Häuplverschnitt negierte abermals. Der Künstler Bernhard Gwiggner intervenierte, indem er ein kubisches Gegenstück direkt an den »Paracelsus« stellte und mehrere Tage dort verweilte, um Passanten über die Thematik aufzuklären. Die Aktion wurde von der Stadt geduldet, allerdings offiziell weder organisatorisch und finanziell unterstützt. Von zwei Historikerinnen unterstützt gab Gwiggner inzwischen sogar ein Buch zu Thorak heraus und füllt damit auch gleich ein Desiderat. Kurz nach der Aktion wurden die Schilder der Thorak-Straße von Unbekannten mit schwarzer Farbe übersprüht.

In Gwiggners Spuren wandelten auch der für seine politischen Aktionen bekannte Münchner Künstler Wolfram Kastner mit dem Salzburger Bildhauer Daniel Toporis. In einer Presseaussendung kündigten sie Aktionen an den Straßenschildern sowie an den von ihnen so betitelten »Kitschmonumenten« an. Obschon wie durch Zufall kurz vor der Aktion die Straßenschilder gestohlen wurden, ließen sich beide davon nicht beirren und führten ihre Aktion an Hausschildern durch. Mit blauem Klebeband überdeckten sie einzelne Buchstaben und schufen so beispielsweise die »Thora-Straße«.

»Heinz Schaden hat eine Historikerkommission damit beauftragt zu eruieren, welche Straßen umbenannt gehören und welche mit Schildern kommentiert werden sollen. Dass diese Historiker für einen Buchstaben mehrere Jahre benötigen und dass bei einem Herrn wie Karajan das Schild lediglich aufweist, dass er seine Karriere in der NS-Zeit begann, lässt nichts Gutes ahnen. Wir haben es satt und handeln selbst«, meinte Wolfram Kastner dazu. Auch für eine Beschilderung der Monumentalplastiken hatten Kastner und Toporis bereits konkrete Ideen. Die beiden von Ihnen angebrachten Schilder schreiben »Nazibildhauer Thorak«.

Der bisherige Abschluss dieser eigentlich offensichtlichen, aber endlosen Debatte fand sich, als die Stadt nun neue Thorak-Schilder anbrachte. Um weiteren Übergriffen entgegenzuwirken, hing man Thorak nun höher. Unübersehbar und mit deutlichem Abstand zu anderen Schildern hängt Thorak jetzt in mehreren Metern und ehrt einen Mann, der sich nie von seinen Verstrickungen distanzieren wollte. Sein Name wird dadurch und durch den Postverkehr unzählige Male ohne kritischen Kommentar weiterhin verbreitet.

 

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