D.R.E.P.T. PENTRU ÎNGRIJIRE *
Im Kapitalismus gibt es nur ein Ziel: Profit zu machen. Aber es gibt keine Möglichkeit, weiterhin etwas zu produzieren, ohne die Arbeitskraft zu reproduzieren. Und genau an dieser Stelle erfolgen Ausbeutung und Überausbeutung, um auch und gerade mit der Not und der Hilfsbedürftigkeit von Menschen Profite zu machen. Die kapitalistische Wirtschaftsweise konzentriert sich vermeintlich auf die Produktion, will aber nicht für die Reproduktion bezahlen. Dasselbe gilt für die Arbeit mit Menschen. Der Kapitalismus behandelt die 24-Stunden Pfleger*innen wie eine weitere Ware, die für mehr verkauft werden soll als es kostet, sie herzustellen und zu erhalten. Menschen sind aber eine unberechenbare Ware: Sie haben Bedürfnisse und Wünsche, sie werden krank, und sie wehren sich. Es besteht eine ständige Spannung zwischen Profit machen und Leben erhalten. Wenn letzteres endlich gewinnt, wenn wir gewinnen, ist das Ende des Kapitalismus erreicht.
Überausbeutung in Österreich
Das perfekte Beispiel für die kapitalistische Ausbeutung von Menschen sind die den-Personenbetreuer*innen in Österreich. Sie bieten eine wesentliche Dienstleistung an. Ohne sie stünde unsere Gesellschaft vor ernsthaften moralischen Fragen: Was tun wir mit unseren alten Menschen? Im Kapitalismus werden sie als nutzlose Last betrachtet. Ihre Arbeitskraft kann nicht mehr gekauft und verkauft werden. Aber wir sind von Natur aus nicht kapitalistisch. Wir wollen nicht unsere Eltern und Groß eltern dem Tod überlassen, wenn sie nicht mehr arbeiten können. Aber es ist auch sehr schwierig, ihre Betreuung innerhalb der Familie zu organisieren. Es würde bedeuten, dass ein jüngeres Mitglied der Familie, in der Regel eine Frau, eine bezahlte Arbeit aufgeben und zu Hause bleiben müsste.
Die Lösung für das Problem der Altenpflege kommt dann durch den Staat, der diese Dienstleistung subventioniert, indem er die Familien unterstützt, die 24-Stunden-Personenbetreuer*innen zu bezahlen. Damit das ganze System jedoch nicht zu teuer wird und der soziale Frieden dennoch gewahrt bleibt, werden diese Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben. Aus Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder der Slowakei, in denen große Teile der Bevölkerung wirtschaftlich keine andere Wahl haben, als ihr Land, ihre Kinder und ihre eigenen älteren Verwandten zu verlassen, um sich um die der anderen zu kümmern. Diese Pflegekräfte müssen in Österreich als selbständige Ein-Personen-Unternehmen arbeiten. Das bedeutet, dass sie keine Arbeitsplatz sicherheit, keinen Zugang zu gewerkschaftlicher Interessenvertretung und sehr wenig sozialen Schutz haben. Wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren, haben sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Es überrascht nicht, dass viele die Gelegenheit ergriffen haben, aus der Arbeit dieser Betreuungskräfte Profit zu schlagen. Die Rekrutierung erfolgt durch Vermittlungsfirmen, die vom Lohn der Pflegekräfte eine Provision einheben. Dabei kommt es zu allen möglichen Arten von Missbrauch. Zum Beispiel werden die Verträge nur in deutscher Sprache verfasst, was bedeutet, dass manche Pflegekräfte die Verträge nicht verstehen, die sie unterschreiben müssen. Diese Firmen verfügen auch oft über Inkassovollmacht, d. h. sie übernehmen die Verwaltung der Finanzen der Pflegekraft und können damit drohen, ihre Gewerbeanmeldung zu annullieren oder die Zahlung der gesetzlichen Steuern einzubehalten. Einige Firmen schreiben auch eigene Transportleistungen vor als Teil des Beschäftigungspakets, wofür sie den Betreuer*innen Gebühren in Rechnung stellen. Wenn es ein Problem mit der Gastfamilie gibt, sollte die Personalvermittlungsfirma die Pflegekraft schützen, tut das aber nicht. Denn diese Betreuer*innen sind entbehrlich und leicht austauschbar.
Die Pflegesituation seit COVID 19
Wie zu erwarten war, hat die COVID-Pandemie in Bezug auf transnationale Pflegenetzwerke vieles verändert. Zunächst einmal war es mit der Schließung der Grenzen eine Zeitlang unmöglich, dass neue Personenbetreuer*innen nach Österreich kommen konnten und dass diejenigen, die ihren vierwöchigen Turnus beendet hatten, nach Hause zurückkehren konnten, um sich auszuruhen. Es ist eine sehr herausfordernde Arbeit, rund um die Uhr, so dass die Betreuer*innen diese Pausen einlegen müssen, um die Arbeit wieder aufnehmen zu können. Deswegen passte sich das System schnell an. Obwohl soziale Distanzierung, Reiseverbote und das Verbleiben zu Hause für alle anderen die Regel sind, wurden schnell Charterflüge organisiert und die Grenzen geöffnet, um Personal für die 24-stündige Betreuung älterer Menschen aufzunehmen. Warum aus dem Ausland? Weil es vor Ort fast kein qualifiziertes Personal gibt. Weil Österreicher*innen oder in Österreich ansässige Personen die schlechten Arbeitsbedingungen und die niedrigen Löhne, die diesen Arbeitsmigrant*innen angeboten werden, niemals akzeptieren würden.
Aber diese Migrant*innen begrüßten die Öffnung der Grenzen, da sie lieber einem möglichen Tod durch COVID als dem völligen Mangel an Einkommen für sich und ihre Familien entgegensehen würden. Sie haben keine anderen Möglichkeiten zu überleben, keine anderen Einkommensquellen. Sie sind gerne bereit, in Charterflugzeuge oder überfüllte Kleinbusse einzusteigen, wo die Ansteckungsgefahr hoch ist. Nach ihrer Ankunft in Österreich wurden sie zwei Wochen lang unter unbezahlte Quarantäne gestellt. Erst nachdem sie keine COVID-Symptome gezeigt haben, wurden sie in die Gastfamilien entlassen und begannen mit der Arbeit.
Und es stellt sich noch ein weiteres Problem: Wie kann man in das Heimatland zurückkehren? Es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel und die Grenzen sind noch immer geschlossen. Und einmal nach ihrem Turnus wieder in ihrem Heimatland angekommen, werden die Personenbetreuer*innen wieder unter Quarantäne gestellt. In dieser Zeit haben sie wieder kein Einkommen. Um all diese Mängel auszugleichen, haben einige österreichische Regionalbehörden begonnen, Prämien für die Zeit der Pandemie anzubieten. Die Antragsformulare sind jedoch nur auf Deutsch verfügbar, obwohl der Großteil der potenziellen Begünstigten Migrant* innen sind. In der Praxis werden nur sehr wenige Personenbetreuer*innen tatsächlich in der Lage sein, die bürokratischen Hürden zu überwinden und den Bonus zu erhalten.
Die Forderungen der Interessensvertretung
Glücklicherweise haben die Personen-Betreuer*innen in den letzten Jahren begonnen, ihren Widerstand zu organisieren. Sie waren sich bewusst, wie wichtig ihre Arbeit ist, noch bevor die COVID- Pandemie dies ganz offensichtlich machte. Eine Gruppe, die den Kampf anführt, ist »D.R.E.P.T. pentru îngrijire« (Gerechtigkeit für Pflege und Personenbetreuung), die 24-Stunden-Pflegekräfte in ihrem Kampf gegen die Ausbeutung zusammenbringt. Sie üben Druck auf Regierungsbehörden aus, den 24-Stunden-Pflegebereich zu regulieren, um die Arbeitsbedingungen und den Schutz dieser wichtigen Arbeitskräfte zu verbessern. Sie weisen auch auf die vielen Möglichkeiten hin, wie die Vermittlungsagenturen von der Situation profitieren, sowohl in normalen Zeiten als auch während der Pandemie, und wie diese die Rechte der 24-Stunden-Personenbetreuer*innen missbrauchen, um Geld zu verdienen. Sie bieten Vertretung für 24-Stunden-Personenbetreuer*innen in Österreich an. Sie ermöglichen es 24-Stunden-Personenbetreuer*innen, sich mit ihrer eigenen Stimme Gehör zu verschaffen – durch Erfahrungsberichte in sozialen Netzwerken, Artikel in der Presse oder Interviews im Fernsehen. Nicht zuletzt beteiligen sie sich an Straßenprotesten. Vor kurzem waren sie bei der Demonstration für den Internationalen Frauenkampftag am 8. März in Wien vertreten, wo sie ihr Manifest verlesen haben und die Welt an ihre Forderungen erinnerten. Ihre Intervention wurde mit tosendem Applaus und vielen Solidaritätsbekundungen begrüßt. Für die Zeit der Pandemie sind ihre Forderungen klar: Löhne entsprechend dem erhöhten Risiko, Bezahlung für die Zeit in der Quarantäne, sicherer Transport und die gleichen Schutzmaßnahmen vor Ansteckung wie für den Rest der Gesellschaft.
Es steht außer Frage, dass die COVID-Krise gezeigt hat, welche Branchen in unserer Gesellschaft wirklich unverzichtbar sind und welche verschwinden können, ohne jemals vermisst zu werden. Die Krise zeigt: wir brauchen die Menschen, die Pflege leisten, die Menschen, die Nahrung ernten und herstellen, die Menschen, die sich um die Kinder kümmern, die Menschen, die putzen, die Menschen, die Waren liefern und die Menschen, die den Müll einsammeln. Sie haben weitergearbeitet, ihr Leben riskiert und vielleicht sogar ihr Leben verloren, damit sich der Rest von uns isolieren und in Sicherheit bleiben kann. Sie erhielten selten mehr Geld für die Risiken, die sie eingehen. Das ist unglaublich ungerecht.
Eine wirklich gerechte Gesellschaft würde auf Profit verzichten. Sie würde sich stattdessen darauf konzentrieren, das Leben zu erhalten. Eine solche Gesellschaft würde auch ganz anders mit der Arbeit umgehen, die für ihre Reproduktion notwendig ist. Sie würde die Menschen nicht mehr in Produzent*innen und Reproduzent*innen aufteilen, wie es jetzt geschieht. Infolgedessen würden wir während einer Pandemie alle abwechselnd wesentliche Arbeiten verrichten, uns gegenseitig Pausen einräumen und einander ablösen. Wir würden abwechselnd für Pflege sorgen, Nahrung ernten und herstellen, uns um die Kinder kümmern, putzen, Waren liefern und Müll einsammeln. Das ist die solidarische Gesellschaft, für die wir gemeinsam kämpfen müssen.
* D.R.E.P.T. PENTRU ÎNGRIJIRE
»Gerechtigkeit für Pflege- und Personenbetreuung« ist eine selbstorganisierte Gruppe von rumänischen 24-Stunden-Personenbetreuer*innen und Aktivist*innen. Gemeinsam kämpfen sie für bessere Arbeitsbedingungen in der 24-Stunden-Betreuung in Österreich.