Feministischer Widerstand & Kampf für ein gutes Leben für alle.
VON ELISABETH KLATZER
Aus feministischen Visionen eines guten Lebens für alle ergeben sich mehrere strategisch wichtige Projekte der Transformation. Eines davon ist der Kampf um gute gesellschaftlich organisierte Leistungen für alle. Dazu gehören Geschlechtergerechtigkeit und Versorgung aller in allen wichtigen Lebensbereichen wie Gesundheit, Bildung, Gewaltschutz, Wohnen, Kunst und Kultur, Betreuung, Pflege, Einkommenssicherheit, funktionierender Rechtsstaat und vieles mehr. Und für all das braucht es ausreichend öffentliche Einnahmen.
Femme Fiscale, ein Netzwerk feministischer Organisationen, rückt mit der Kampagne »Wir lieben Steuern!« die Fiskalpolitik ins Zentrum des feministischen Engagements. Steuergerechtigkeit, faire Beiträge von Konzernen, Vermögenden und der Einkommenselite sind ein ganz wichtiger Teil des feministischen Kampfes für ein gutes Leben für alle.
Unser Sozialstaat mit öffentlichen Dienstleistungen und Sozialversicherungssystemen sind wichtige Bausteine in Richtung eines Guten Lebens für alle. Er ist wie ein großes Haus, nicht perfekt, es gäbe viel, das verbessert, ausgebaut und demokratisiert werden muss. Gerade um Geschlechtergerechtigkeit zu realisieren, braucht es viele Zubauten und Renovierungen, damit alle einen guten Platz finden.
Dennoch, wir befinden uns derzeit schon zu lange im Abwehrkampf. Die Strategie der Regierung ist nicht nur, den Sozialstaat, der wie ein großes Haus ist, in dem alle Platz finden sollten, zu vernachlässigen, sondern aktiv die Spitzhacke an den Fundamenten anzusetzen.
Die Strategie, das gemeinsame Haus zu beschädigen, ist simpel, aber wirkungsvoll, da es wenig Widerstand gibt: Regelmäßig sehen wir einen Zyklus in zwei Schritten: Zunächst werden Steuersenkungen versprochen und auch umgesetzt. Die Regierung setzt auf drastische Kürzungen bei den Steuereinnahmen. Und der zweite Schritt folgt auf dem Fuß: Drastische Senkungen – oder fehlende Erhöhungen – bei Ausgaben in jenen Bereichen, die für die soziale Absicherung und Geschlechtergerechtigkeit wichtig sind. Begleitet von rassistischer und/oder antifeministischer Rhetorik, je nachdem, wo die Kürzungen gerade durchgeführt werden.
Mittlerweile ein sich wiederholendes Spiel, auf das allzu viele hereinfallen. Mit der Rhetorik der »Steuerlast« wird völlig ausgeblendet, dass Steuereinnahmen das Fundament für öffentliche Leistungen, für eine gerechtere Verteilung und den gemeinsamen Wohlstand sind. Diese Rhetorik dient vor allem dazu, den Boden aufzubereiten: So lassen sich die Beiträge der Konzerne und Einkommenselite senken, die sich zuweilen mit Parteispenden dankbar zeigen. So wird HERRschaft gestärkt: Einkommen, Reichtum und Einfluss jener – vorwiegend Männer – wird ausgebaut, die ohnehin bereits obszön viel davon haben. Und das Steuersystem wird Schritt für Schritt ungerechter: Der Anteil der Umsatz- und Verbrauchssteuern am Steueraufkommen steigt. Das belastet jene, die ohnehin weniger Einkommen haben, viel stärker. Die Steuerpläne der Regierung bedeuten steigende Ungerechtigkeiten. Und damit auch besonders die Geschlechterungleichheiten.
Und hierbei zeigt sich eine erschreckende Kontinuität der Türkis-Blauen Strategie im Regierungsprogramm von Türkis-Grün. Die Pläne der Regierung bürden uns allen hohe Kosten auf: 5,7 Milliarden jährlich an Geschenken durch Steuerkürzungen werden verteilt, wobei der große Teil Konzernen und Besserverdienenden zugutekommt: Senkung der Unternehmensbesteuerung (KöSt), Senkung der Einkommenssteuer für die höheren Einkommen, Steuerzuckerl für WertpapierbesitzerInnen, Gewinnfreibeträge und anderes mehr. Und die Kosten tragen wir alle.
Diesen Trend gilt es umzukehren: Es braucht volle Kassen für ein gutes Leben für alle. Grundsätzlich ist in Österreich genug da: Die Einkommen und Vermögen steigen, konzentrieren sich aber immer mehr in den Händen weniger. Mittlerweile kommt (fast) die Hälfte des Gesamteinkommens nur »den obersten« 20 Prozent der Menschen zu. Die Hälfte der Bevölkerung besitzt zusammen nur zwei Prozent des gesamten Vermögens, während der Rest unter wenigen Privilegierten geteilt wird: Das reichste eine Prozent besitzt ein Drittel des Vermögens. Anders ausgedrückt: Wenige haben obszön viel, während viele wenig oder zu wenig haben. Und wo die meisten Frauen sind, ist bekannt. Es ist genug da: Jene die viel haben, sollen auch mehr zu den Steuereinnahmen beitragen.
Die Kampagne »Wir lieben Steuern!« soll dazu beitragen, die Dynamik umzudrehen, vom Abwehrkampf in die Offensive zu kommen. Von der Politik der leeren Kassen –Steuersenkungen als Rechtfertigung für Leistungskürzungen – zu öffentlichen Finanzen in Fülle für ein gutes Leben für alle.
Dabei geht’s im Kern darum, das Steuersystem gerechter zu machen: es ist beschämend und empörend, dass in Österreich jene, die ohnehin viel haben, immer weniger zu den Steuereinnahmen beitragen. Es ist beschämend und empörend, dass bei rasch steigender Vermögensungleichheit in Österreich die Vermögenden minimal Steuern zahlen: mit 1,3 Prozent der Gesamtabgaben ist der Beitrag der Vermögenden verschwindend gering. Und Reiche vererben an Reiche und zahlen keine Erbschaftssteuer, da diese in Österreich seit langem erfolgreich verhindert wird. Auch Steuerbetrug und -hinterziehung werden nicht entschieden genug bekämpft. Es braucht eine progressive Besteuerung von Unternehmen (höhere Steuern für größere Unternehmen und geringe für kleine Unternehmen) und höhere Steuern für hohe Einkommen. All das ist dringend nötig, um unser gemeinsames Haus auszubauen. Wir wollen nicht unter der Last der Luxus-Penthäuser zusammenbrechen, sondern kämpfen für ein schönes und gutes Haus für alle. Vorschläge gibt’s genug, wie das Steuersystem gerechter werden kann. Es geht darum, in Bewegung zu kommen, um diese auch umzusetzen.
Wir stellen in den Mittelpunkt der Kampagne, dass eine gerechte Besteuerung mit ausreichend Einnahmen für den Erhalt und Ausbau des gemeinsamen sozialstaatlichen Hauses dringend nötig ist. Wir brauchen, gerade um Geschlechtergerechtigkeit und ein gutes Leben für alle zu ermöglichen, eine gut gefüllte Kasse! Das ist eine Voraussetzung für dringend nötige Investitionen in öffentliche Leistungen, Güter und Infrastruktur und bei gleichzeitiger Arbeit am geschlechtergerechten Umbau für ein gutes Leben für alle!
Elisabeth Klatzer ist Vorstandsmitglied von Attac Österreich und als feministische Ökonomin zu geschlechtergerechter Budget- und Steuerpolitik aktiv. Sie ist Mitglied der Gruppe Femme Fiscale.
Die Femme Fiscale ist eine Initiative von Gruppen und Netzwerken, die sich für geschlechtergerechte Steuer- und Budgetpolitik einsetzt. Mit dabei sind unter anderem FeministAttac, Attac, Frauenring, Plattform 20000frauen, Katholische Frauenbewegung Österreichs, Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen, OBRA – One Billion Rising Austria, WIDE, Watch Group. Gender und öffentliche Finanzen.