23 Mai

Nach dem Unterschriftensammeln ist vor dem Unterschriftensammeln

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Diesen Sonntag wählen die ÖsterreicherInnen ihre VertreterInnen im Europäischen Parlament. KPÖ PLUS ist die einzige Partei, die es mittels Sammeln von 2.600 Unterstützungserklärungen (UE) auf den Stimmzettel schaffte. Die nächste Unterschriftensammlung steht jedoch angesichts der ausgerufenen Neuwahlen bereits in Haus. Maria Kohen berichtet von ihren Erfahrungen und Beobachtungen.

Es ist bei Wahlen üblich, dass die Hürden für eine „kleine“ Partei höher sind als für jene, die bereits in den zu wählenden Institutionen vertreten sind. Es ist vorherrschende Meinung in der Politik, dass nur solche Parteien kandidieren sollen, die über eine gewisse Unterstützung in der Bevölkerung verfügen.

 

Beispiele für die EU-Wahl:

– Während in Österreich 2.600 UE (§ 30 (2) Europa-WO) beizubringen sind, genügen in Deutschland, das zehn Mal mehr EinwohnerInnen hat, 4.000 (§ 9 (5) EuWG). Auch gibt es dort keine Sperrklausel. Das führte dazu, dass heuer in Deutschland 41 Parteien zur Auswahl stehen. In Italien hingegen braucht es 30.000 UE, es sei denn Kleinparteien schließen sich in sogen. Listenverbindungen landesweit kandidierenden Parteien an (https://dait.interno.gov.it/documenti/pub_02_europee_ed.2019.pdf).

– In Österreich beträgt der Druckkostenbeitrag, den man bei der Einreichung der Kandidatur bezahlen muss, pro Partei 3.600 Euro (§ 31 (5) Europa-WO), in Estland müssen für jede/n einzelne/n KandidatIn 2.700 Euro bezahlt werden (https://www.valimised.ee/en/ep2019/standing-candidate-2019-european-parliament-elections).

Die KPÖ, wie auch jene Wahlbündnisse, mit denen sie in Bund, Ländern und Gemeinden antritt, schafft die Hürden für den Wahlantritt fast überall jedes Mal, wiewohl das Rennen um die Unterschriften ein immer größerer Kraftaufwand wird. Heuer war der Antritt so unsicher wie schon lange nicht.

 

Warum die Jagd nach den Unterstützungserklärungen immer schwieriger wird, hat meines Erachtens verschiedene Gründe:

– Heuer haben so viele Parteien wie kaum zuvor versucht auf den Stimmzettel zu kommen. Das ist grundsätzlich begrüßenswert, denn Demokratie lebt auch vom Engagement jener Parteien und Gruppen, die in ein Parlament einziehen wollen. Leider gibt es nie eine Information, wer überhaupt Unerstützungserklärungen sammelt. In den Medien wird darüber nicht berichtet.

– Eine Unterstützungserklärung muss am Gemeindeamt bestätigt werden. Oft genug liegen die Ämter abgelegen oder an ungünstigen Orten. Das sind schwierige Voraussetzungen um mit potentiellen UnterstützerInnen ins Gespräch zu kommen (zum Beispiel wenn das Gemeindeamt direkt neben einer stark befahrenen Straße liegt). In ländlichen Gegenden kommt hinzu, dass die Ämter oft nur wenige Stunden in der Woche geöffnet haben.

– Eine große, einfache Abhilfe wäre die Möglichkeit der Unterstützungserklärung mittels Handy-Signatur oder BürgerInnenkarte. Doch diese werden hierzulande nicht anerkannt. Das entspricht einer Politik, die den elektronischen Möglichkeiten der Mitbestimmung noch immer allzu skeptisch gegenübersteht. Die herrschende Politik hat auch kein Interesse den kleinen Parteien das Leben zu erleichtern.

– Es ist leider Tatsache, dass die EU-Wahl von allen Wahlen das wenigste Interesse hervorruft, dementsprechend klappten viele Menschen ihre Ohren zu, wenn sie nur das Stichwort „EU“ hörten und huschten schnellstmöglich vorbei. Andererseits zeigten viele Interesse für KPÖ PLUS, sind hier aber nicht wahlberechtigt. Zumindest entwickelten sich so nette Gespräche.

– Das Sammeln der UE vor den Gemeindeämtern ist nur für wenige eine Arbeit, die gerne erledigt wird, denn es ist eigentlich eine Knochenarbeit. Nicht viele haben die Ausdauer, bei jedem Wetter stundenlang herumzustehen und Menschen anzusprechen. Dementsprechend liegt die Hauptarbeit bei einigen wenigen AktivistInnen.

– Eine Reihe von KPÖ-internen Faktoren hat Verbesserungspotenzial, damit das Sammeln der UE nicht mehr unter so großem Druck abläuft. Neben mehr AktivistInnen, die benötigt werden, sollten die Termine und Orte besser geplant und koordiniert werden, das spart Zeit und Geld.

– Zwei große Ressourcen fielen heuer weg. Die KPÖ-Steiermark verhielt sich passiv, da sie der EU ablehnend gegenübersteht. Die Jungen Linken, die vor zwei Jahren bei der Nationalratswahl das Plus in KPÖ PLUS bildeten und sich im Wahlkampf sehr stark engagiert hatten, hielten sich diesmal komplett zurück, ohne dass mir ein Grund dafür bekannt ist.

Ist die erste Hürde mit den Unterstützungserklärungen geschafft, wartet die nächste. Denn zusätzlich zum Sammeln von UE müssen Kleinparteien eine bestimmte Anzahl von Stimmen bekommen, um in das betreffende Parlament – Landtag, Nationalrat, EU – einzuziehen. In Österreich sind es mit einigen Ausnahmen vier Prozent. Auf den unteren Ebenen wird auf eine sogenannte Prozenthürde oft verzichtet, man billigt dort jeder Partei die Möglichkeit zu, bei kommunalen Belangen mitzureden. Aber dieses Thema wäre ein eigener Artikel wert.

Maria Kohen ist unabhängige Kandidatin für KPÖ PLUS und war zum Sammeln von Unterstützungserklärungen in drei Bundesländern unterwegs.

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