Irgendwie war es ja dann doch keine Überraschung, aber das macht das Ergebnis nicht besser. Seit vielen Monaten ist klar, wohin die Reise geht. Die Sonntagsfragen, die Stimmung in den auflagestärksten Printmedien des Landes und selbst die Wahlumfragen, die teilweise wieder kolossal daneben gelegen haben, bereiten uns schon lange darauf vor. Die FPÖ ist nach ein paar Jahren, in denen sie sich nach der Niederlage Schwarz-Blau 2 die Wunden geleckt hat, und nach einem Jahrzehnt des abermaligen Aufstiegs anscheinend wieder in der Mitte der Gesellschaft verankert. Nun greift sie nach der Macht im Staat. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Dilettantismus der »Großen« Koalition und die weitere Polarisierung der neoliberalen Politik Strache zum Wahlsieger der Nationalratswahlen krönen wird.
Dass sich das nun schon im Ergebnis der Wahl zum höchsten Amt der Republik ausdrückt, die durch einen zweiten Wahlgang eine nachträgliche Umverteilung der Stimmen zumindest im Prinzip möglich macht, ist in gewisser Weise Glück im Unglück. Die Chance lebt, der FPÖ diesen Wahlsieg noch zu vereiteln. Aber die Strategen im Lager der Blauen schlafen nicht. Die Kampagne der FPÖ wird noch stärker auf den Staatsmann-für-alle-Österreicher-Modus geschaltet, damit Norbert Hofer nun auch den WählerInnen von Griss bis Lugner schmackhaft gemacht werden kann. Zur gleichen Zeit verabsäumen die Regierungsparteien jetzt das zu tun, was sie eigentlich zu verantworten hätten. Anstatt eine klare Position einzunehmen und eine Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen auszusprechen, wiederholt man in beiden Großparteien das Mantra des »mündigen Wählers«, als ginge es beim Standpunkt zu einem möglichen Präsidenten Hofer tatsächlich um Empfehlungen, Zu- und Abneigungen bei einer Persönlichkeitswahl und nicht um absolute Grundsatzfragen des demokratischen Selbstverständnisses der Zweiten Republik. Der Grund für dieses Zögern ist natürlich die Angst, sich die Sympathien vieler FPÖ-affinen WechselwählerInnen vor der darauf folgenden Wahl zu verscherzen.
Genau diese Einstellung, die Feigheit davor, die kaum versteckte Ideologie der Rechten klar abzulehnen, und die Abkehr von den eigenen Prinzipien – seien sie nun christlich-sozial oder sozial-demokratisch – hin zum neoliberalen Einheitsbrei, der machmal laut »Leistung« und manchmal etwas leiser »Umverteilung« fordert, hat diese Situation erst möglich gemacht. Die offiziellen Reaktionen zur Wahl von Schieder, Lopatka und Co. lassen befürchten, dass sich daran nichts ändern wird, auch wenn nun einige SPÖ-Stimmen aus den einzelnen Bundesländern zur Unterstützung von Van der Bellen aufrufen. Vielleicht geht ja jetzt ein weiterer Ruck durch die kritischen FreundInnen in der SPÖ. Und vielleicht gelingt es nun auch, angesichts dieses Ergebnisses, bei einem Aufbau einer breiteren Linken noch ein Stückchen entschlossener an die Sache heranzugehen.
Die Reise nach Rechts wird jedenfalls weitergehen. Immerhin kann man sich zumindest momentan noch weigern mitzureisen und stattdessen die eigene Meinung und Ablehnung dieser Entwicklung öffentlich kundtun. Aber nur stehenzubleiben und alte Parolen zu skandieren, sei es innerhalb oder außerhalb einer breiteren linken Bewegung, wird nicht reichen. Dafür gibt es zu viele, die zwar mit Rechten eigentlich nichts am Hut haben, aber ebenso glauben, sowohl mit dem politischen Establishment als auch mit linken Positionen nichts anfangen zu können, und die deshalb nun Hofer und dann Strache wählen werden. Es wird ohne einen ernst gemeinten Dialog nicht gelingen, diese Menschen davon abzubringen und vom Gegenteil zu überzeugen. Zumindest die geteilte Meinung zum politischen Establishment wäre vielleicht eine gute Grundlage dafür, um ein anderes Reiseziel schmackhaft zu machen.