Die Sehnsucht nach dem starken Mann Karl Reitter Foto: Michael Coghlan CC BY-SA 2.0 / Flickr
02 Mai

Die Sehnsucht nach dem starken Mann

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Über das Führerprinzip als teilweise Erklärung für den Wahlerfolg der FPÖ.

Was unterscheidet die FPÖ in den Augen einer durch die Medien geprägten Öffentlichkeit? Was zeichnet sie aus, was anderen Parteien fehlt? Was lässt sie als so besonders erscheinen in Zeiten, in denen Wahlkämpfe wie Produktwerbung geführt werden und in denen es in erster Linie darum geht, wie der Kandidat in den diversen Talk-Shows ankommt? Sie besitzt einen starken Mann an ihrer Spitze, eine Person, die als unumschränkter Chef ohne den geringsten Widerspruch aus den eigenen Reihen agieren kann.

Erinnern wir uns: Nachdem die Ära Haider vorbei war, wurde eine erstmals weitgehend unbekannte Person systematisch als großer Führer aufgebaut. Kein Detail wurde vernachlässigt. Jung, blaue Augen, dynamisch. Genial war die Idee, den Vornamen Heinz-Christian zu HC abzukürzen. HC Strache, das klingt irgendwie besonders und zudem sehr einprägsam. Ob Herr Strache tatsächlich der allgewaltige Parteichef ist oder doch nur von einem führenden Kollektiv als solcher der Öffentlichkeit verkauft wird, spielt da keine Rolle. Wichtig ist, dass es stets so erscheinen muss. Gegen die FPÖ zu agieren bedeutet nicht nur, gegen ihre menschenverachtende, rassistische Politik zu agieren. Es bedeutet nicht nur, ihre grenzenlose Demagogie aufzuzeigen. Die Linke hat auch gegen ein Prinzip anzukämpfen, das in der Öffentlichkeit geradezu wie selbstverständlich angenommen wird, auch von jenen, die den Inhalten der FPÖ distanziert gegenüber stehen. Es soll nämlich in der Politik um große Persönlichkeiten gehen, um außergewöhnliche Menschen, zu denen du und ich nur bewundernd aufblicken können.

Tatsächlich gibt es wohl abertausende Menschen in Österreich die problemlos den Job eines Bundespräsidenten ausüben könnten. Und dies gilt für jegliche Funktion im Staatsapparat. Wohl wurde das Führerprinzip zum Mythos um die herausragende, außergewöhnliche Persönlichkeit abgemildert, nach denen die Massenmedien so gieren und die sie willfährig mitproduzieren. Ob Führer oder nur Persönlichkeit, der Effekt ist vergleichbar: Passivität auf der einen Seite und bejubeln des starken Mannes inklusive Stimmabgabe auf der anderen, so funktionieren inzwischen alle staatstragenden Parteien. Allerdings hat in diesem Punkt die FPÖ die Nase vorne, und wie! Wen soll die SPÖ dagegen setzen? Wen die ÖVP, wen die GRÜNEN? Keine Partei kann das Bedürfnis nach dem starken Mann so perfekt erfüllen wie derzeit die FPÖ. Wen sie da als Bundespräsidentschaftskandidaten aufstellt, ist völlig belanglos. Alle wissen, hinter dieser Figur steht er.

Das Prinzip des starken Mannes war und ist der Linken keineswegs fremd. Von Mao bis Kreisky, von Lenin bis Chávez, wurden immer wieder linke Bewegungen aller Schattierungen von starken Männern angeführt. Allerdings funktioniert eine emanzipatorische Bewegung doch stets anders als eine rechte oder gar faschistoide. Horkheimer hat dies 1936 in seiner Schrift Egoismus und Freiheitsbewegung klar ausgesprochen: »In der bürgerlichen Revolution wird die Masse, wenn auch in wechselnder Stärke und stets schwankend, von ihrem bewussten Flügel her bestimmt, sie ist stets differenziert und wachsam. … Sie ist nicht im gleichen Sinn Masse wie in der Gegenrevolution. Hier pflegt der ›Mob‹ aufzutreten, der bis in die psychische Struktur seiner Einheiten hinein von der Masse in den Revolutionen verschieden ist.« Wir haben es aktuell in Österreich weder mit revolutionären, noch mit konterrevolutionären Massen zu tun. Herabgebrochen auf die Situation hier und heute bleibt die Aussage von Horkheimer voll gültig. Die Rechte funktioniert massenpsychologisch letztlich anders als die Linke. Das Phantasma der überragenden Führungspersönlichkeit, das weit bis in liberale und linkssozialdemokratische Kreise hinein wirkt, bedeutet für die Linke ein bedeutendes agitatorisches Problem. Der reaktionären Sehnsucht nach dem starken Mann können wir keinen linken starken Mann entgegensetzen, auch wenn dieser starke Mann eine starke Frau ist. Zwischen der FPÖ und ihrem Auftreten und Agieren und den dominierenden Massenmedien herrscht eben in jenem Punkt unausgesprochene Übereinstimmung und teilweise offene Kumpanei. Es geht eben nicht nur um die FPÖ alleine.

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