18 März

Das Virus und die kommende ökonomische Krise – oder: Worüber jetzt kaum wer spricht

von

Dieser Text erscheint in der April-Ausgabe der Volksstimme

Von Karl Reitter

Eines ist sonnenklar, die radikalen Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens werden gigantische ökonomische Folgen haben. Ausfälle an Einnahmen bei weiter laufenden Kosten treffen alle. Sie treffen besonders die ökonomisch Schwachen, die Lohnabhängigen so und so, noch mehr die freien DienstnehmerInnen, die pro Auftrag bezahlt werden, ebenso die Masse der kleinen Selbstständigen, LadenbesitzerInnen, AnbieterInnen von Dienstleistungen, Kursen und alle, die von Veranstaltungen, gleich welcher Art, leben müssen. Wer seine Arbeitsaktivitäten nicht ins Internet verlegen kann, wehe der, wehe dem; es droht der wirtschaftliche Ruin. Auch die Profitmaschine des Kapitals gerät ins Stocken. Vier Milliarden sollen nun zur Rettung bereitgestellt werden, das sind ungefähr 5% des derzeitigen Bundesbudgets. Diese Zahl galt zu Monatsbeginn, als dieser Artikel geschrieben wurde. Inzwischen wurden die Mittel auf 38 Milliarden aufgestockt, nun sind es 47% des Bundesbudgets! Wohin dieses Geld fließen wird, ist ungewiss. Vizekanzler Kogler lässt wissen, es gehe darum die »Liquidität von Unternehmen sicherzustellen« (Quelle: https://www.parlament.gv.at) Was immer dies bedeutet und wo immer diese vier Milliarden tatsächlich ankommen. Die lupenreinste Partei des Neoliberalismus, die NEOS, melden bereits ihre Begehrlichkeiten an. Senkung von Steuern und der euphemistisch als Lohnnebenkosten bezeichneten Sozialabgaben werden gefordert, im Klartext: Schmälerung der Staatsfinanzen und des Sozialstaates sollen die Rettung bringen. Das Ausmaß der Krise ist eine Frage der Zeit. Wenn die kapitalistische Wirtschaft in den imperialen Zentren nicht rasch zur Normalität zurückkehren kann, droht eine ökonomische Krise, die selbst den Einbruch von 2008/2009 in den Schatten stellen wird. Jeder Konkurs zieht andere nach sich. Was in der einen Kasse fehlt, fehlt dann schnell in der anderen. Wie rasch die staatlichen, autoritär durchgesetzten Maßnahmen in den verschiedenen Ländern das Virus eindämmen können, wird sich zeigen. Aber was ist mit der ökonomischen Folgekrise? Wenn die kapitalistische Ökonomie kollabiert, helfen keine Ausgeh- und Versammlungsverbote. Wenn Massen verarmen, wirken Grenzschließungen nicht. Die Linke sollte klar sagen: Um die ökonomischen Folgen abfedern zu können, müssen die Gesetze und Mechanismen der kapitalistische Ökonomie mit praktischen Maßnahmen außer Kraft gesetzt werden. Ein wenig muss der Neoliberalismus das selbst zugestehen. Das Dogma des Nulldefizits schmilzt wie Schnee in der Frühlingssonne. Das bestätigt erstmals nur jene Wirtschaftspolitik, die sich an den Lehren von John Maynard Keynes orientiert und Budgetdefizite grundsätzlich als wirtschaftspolitische Maßnahme bejaht. Eine linke, kommunistische Orientierung muss jedoch grundsätzlicher ausfallen. Ich stelle jetzt zwei Maßnahmen zur Diskussion, weitere Überlegungen sind willkommen:

Bis auf weiteres keine Miete für Wohnungen und kleine Geschäftslokale.

Mietzahlungen sind für finanziell Schwache immer eine bedeutende Belastung. Egal ob Lohnabhängige, kleine Selbständige, MieterInnen von Büros und Verkaufsläden usw., die Beträge für die monatliche Miete muss erstmals eingenommen werden. Eine spürbare Entlastung für sehr viele wäre es, jetzt, angesichts der massiv wegfallenden Einkünfte, die Miete nicht bezahlen zu müssen. Wohnraum und Arbeitsstätten wären gesichert. Warum gerade die Miete? Ich meine jetzt die reine Miete, nicht die Betriebskosten und die anfallenden Steuern. Die reinen Mietkosten sind ein bloßer Tribut der NichtbesitzerInnen von Immobilien an die BesitzerInnen ohne dass diese Arbeit oder Ausgaben verausgaben müssen. Durch das bloße Rechtsverhältnis der Vermietung entstehen keinerlei Kosten. »Ein Teil der Gesellschaft verlangt hier von den andern einen Tribut für das Recht, die Erde bewohnen zu dürfen, wie überhaupt im Grundeigentum das Recht der Eigentümer eingeschlossen ist, den Erdkörper, die Eingeweide der Erde, die Luft und damit die Erhaltung und Entwicklung des Lebens zu exploitieren.« (MEW 25; 782) meint Karl Marx und ich denke, er trifft die Sache auf den Punkt. Dass in den Betriebskosten die Abgaben für die Grundsteuer enthalten sind, dass also die MieterInnen den BesitzerInnen die Steuer für ihr Eigentum bezahlen, darüber wollen wir großzügig hinwegsehen. Eine Reduktion der Miete auf die reinen Betriebskosten wäre jedenfalls eine massive Entlastung für sehr viele – vereinbar mit dem kapitalistischen Privateigentum und dessen Logik ist sie jedoch nicht. Wann, wenn nicht in einer gigantischen gesellschaftlich Krise kann die Notwenigkeit den Kapitalismus zu überwinden, besser begründet werden?

Eine Stimme aus Italien – Grundeinkommen jetzt!

Kein europäisches Land ist derart durch von der Ausbreitung des Virus betroffen wie Italien. Auch dort diskutieren GenossInnen eine linke Antwort auf die massiven ökonomischen Folgen der Krise. Ich bin auf eine Stimme aus Italien gestoßen, übertitelt mit: To our friends all over the world from the eye of Covid-19 storm. Zu deutsch: An unsere FreundInnen überall in der Welt, aus dem Auge des Cocid-19 Sturms: »Die Grenzen zwischen Lohnabhängigen, eigenständigen Erwerbstätigen und kleinen Unternehmungen sind im Neoliberalismus fließend. Als prekäre, autonome und freiberuflich tätige Arbeitnehmer, Studenten, Arbeitslose, Migranten und alle anderen sozialen Gruppen, die nicht von den traditionellen sozialen Sicherheitsnetzen profitieren können, erheben wir eine klare Forderung: Grundeinkommen für alle. Wir organisieren eine Kampagne, um diese Forderung auf nationaler Ebene zu verbreiten. Wenn wir nicht arbeiten oder nicht entlohnt werden können, müssen wir trotzdem immer noch für unsere Mieten, Rechnungen, Kredite und Waren bezahlen. Wir sind der Meinung, dass diese Forderung die verschiedenen Betroffenen des fragmentierten Arbeitsmarktes vereinen kann und der erste Schritt zur Schaffung einer universellen sozialen Maßnahme sein sollte, die auch nach dem Ende der Epidemie beibehalten werden muss.«

(Quelle: https://www.dinamopress.it) Eine wirklich umfassende, alle Schichten der Gesellschaft umfassende Lösung, egal ob Studierende, Lohnabhängige, Erwerbslose, kleine UnternehmerInnen, Selbständige und ökonomische EinzelkämpferInnen angesichts massiver drohender ökonomischer Krise soll also lauten: Grundeinkommen für alle.

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