06 Oktober

Linkes Mittel gegen Rechts

von

Die KPÖ PLUS SpitzenkandidatInnen im Volksstimme-Interview

In weniger als zwei Wochen wird ein neuer Nationalrat gewählt. Mit KPÖ PLUS steht bei dieser Wahl auch eine breit aufgestellte, linke Alternative am Wahlzettel. Die Volksstimme hat mit den drei SpitzenkandidatInnen – Mirko Messner, Flora Petrik und Ulli Fuchs – gesprochen.
Zitiert aus der Volksstimme No.10 Oktober 2017


Volksstimme: Viele Wochen Wahlkampf liegen bereits hinter uns. Wie zu erwarten war, ging es in den Interviews, den Fernsehdiskussionen, den »Duellen« vor allem um Migration, »Flüchtlinge« und das Thema Sicherheit – das spielt natürlich den Rechten in die Hände. Welche Themen hätten eurer Meinung nach im Zentrum der Debatten stehen sollen?

Mirko Messner: Armut und Reichtum zum Beispiel. Die Tatsache, dass einerseits rund zwei Millionen Menschen in Österreich arm, armuts- oder ausgrenzungsgefährdet sind, und anderseits an die 150.000 Millionäre das Vermögen bei sich konzentrieren. Nach jüngsten Berechnungen der oberösterreichischen Arbeiterkammer verfügt das reichste eine Prozent über 40,5 Prozent des Vermögens, die ärmere Hälfte der Bevölkerung über zweieinhalb Prozent. Es gibt kaum eine Zahl, die die Folgen der Klassenspaltung in unserer Gesellschaft und die prekäre Lage eines großen Teils der Bevölkerung schlimmer veranschaulicht. Zum Thema Migration und Sicherheit: Die Perfidie der rechten Propaganda besteht in der Verknüpfung dieser Diskurse. Dieser Tatsache können und dürfen wir nicht ausweichen, sondern müssen uns aktiv damit auseinandersetzen, indem wir unsererseits auch verknüpfen: soziale und menschenrechtliche Fragen, untrennbar voneinander.

Zum Thema Migration und Sicherheit: Die Perfidie der rechten Propaganda besteht in der Verknüpfung dieser Diskurse. Dieser Tatsache können und dürfen wir nicht ausweichen, sondern müssen uns aktiv damit auseinandersetzen, indem wir unsererseits auch verknüpfen: soziale und menschenrechtliche Fragen, untrennbar voneinander.
-- Mirko Messner


Flora Petrik: Ich glaube, wir müssen viel mehr über Themen reden, die bereits als ausdiskutiert gelten. Zum Beispiel Arbeit. Wir erleben gerade einen großen Umbruch in der Arbeitswelt. Aufgrund der Automatisierung kann so viel Reichtum wie noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit geschaffen werden, bei immer kleinerem Arbeitsaufwand. Aber anstatt diese Möglichkeiten zum Wohl aller Menschen zu nutzen, arbeiten die einen bis zur Erschöpfung, während die anderen gar keine Arbeit mehr finden. Wie wir Arbeit organisieren, ist zentral für unser Wohlbefinden: Es braucht eine Arbeitswelt, in der Burnout kein Massenphänomen ist und neben der noch genug Zeit für Freizeit und Familie bleibt. Darum setzen wir uns für die 30-Stunden-Woche als zentrale Forderung ein.

Ulli Fuchs: Da kann ich nur zustimmen. Und mir ist auch die Teilhabe an Bildung und die Zugänglichkeit zur Kultur ein großes Anliegen. Sich aktiv betätigen zu können, mit anderen etwas zu entwickeln – und dafür die Räume und Mittel vorzufinden. Das Kulturschaffen wird immer mehr kommerzialisiert, immer mehr der Marktlogik unterworfen, und die KünstlerInnen leben gleichzeitig immer prekärer. Ich würde bei der Förderung, also bei Subventionen, darauf achten, dass die geförderten Einrichtungen, also Theater, Museen, Kulturvereine etc., ihre Leute anständig anstellen und bezahlen, also die Förderung an diese Bedingung knüpfen. Die IG Kultur fordert dieses »Fair pay« schon seit Jahren.



Volksstimme: Warum kommen diese Themen eurer Meinung nach nicht unter?

Mirko Messner: Unter anderem, weil die rassistische Propaganda im Boulevard ihre klassische Funktion erfüllt – als Vorhang vor tiefgreifenden sozialen Einschnitten, die alle betreffen außer jene, die dafür verantwortlich sind.

Ulli Fuchs: Nicht zu vergessen: Der Boulevard hat mit den grauslichen Gratis-Zeitungen, die nur die U-Bahnen und die Köpfe der Fahrgäste vermüllen, das Ganze noch mit Presseförderung, weil sie ja »Qualitätszeitungen« sind und ihre JournalistInnen so »gut« bezahlen, ein ganz neues Level erreicht …

Mirko Messner: Und das spielt denen, die für die Einschnitte verantwortlich sind, auch in die Hände. Die sind froh darüber, wenn »Heute« und Co. die Leute mit anderen Dingen beschäftigen und sie über ihr eigenes Tun und Handeln schweigen dürfen. Aber unsere Stimme muss halt auch noch stärker werden.

Flora Petrik: Diese Stimme braucht es jedenfalls. Eigentlich sollte die Frage eines guten Lebens für alle im Mittelpunkt der Politik stehen. Aber darüber redet fast niemand mehr. Die Politik schweigt über die großen Fragen und setzt nur noch die Profitinteressen der Reichen und Konzerne um. Worum es linker Politik geht, ist Dinge wieder diskutierbar zu machen. Die Menschen müssen wieder die Hoffnung gewinnen, dass es nicht egal ist, was sie wollen, dass sie gemeinsam diese Gesellschaft verändern können.


Volksstimme: Mit SPÖ, Grünen und der Liste Pilz gibt es dieses Mal gleich drei weitere Listen, die sich politisch eher links der Mitte einordnen. War es schwierig, die Unterschiede zu KPÖ PLUS herauszuarbeiten und diese den Menschen auch klarzumachen?

Ulli Fuchs: »Links der Mitte« heißt nicht viel, wenn die »Mitte« schon so weit nach rechts verschoben ist …

Ganz oft höre ich, dass Leute sagen, dass sie uns bei Wahlkabine.at rausbekommen haben und daher von unseren Positionen wissen. Dass ihre Interessen von KPÖ PLUS vertreten werden, das überrascht viele. Daran merkt man auch, was für eine Lücke im politischen System entstanden ist.
-- Flora Petrik

Flora Petrik: Vielen Menschen ist durchaus bewusst, dass KPÖ PLUS die einzige linke Alternative ist. Die Logik des geringeren Übels zieht aber leider immer noch sehr stark. Dabei ist die eigentliche »verlorene Stimme« diejenige an die etablierten Parteien, von denen wir jetzt schon wissen: Die schönen Worte aus dem Wahlkampf zählen nach der Wahl nichts mehr. Das wird auch immer mehr Menschen klar.

Ganz oft höre ich, dass Leute sagen, dass sie uns bei Wahlkabine.at rausbekommen haben und daher von unseren Positionen wissen. Dass ihre Interessen von KPÖ PLUS vertreten werden, das überrascht viele. Daran merkt man auch, was für eine Lücke im politischen System entstanden ist.


Volksstimme: Auch auf der gegenüberliegenden Seite tummeln sich viele Listen. Ist das rechte Potenzial in Österreich wirklich so groß?

Mirko Messner: Es wurde seinerzeit von ÖVP und SPÖ aufgepeppelt. Und jetzt wird ihm hofiert. Während in Deutschland selbst PolitikerInnen aus dem Mainstream (noch?) Distanz zu den Rechtsextremen wahren, werden hierorts ihre migrationspolitischen Positionen von ÖVP und großen Teilen der SPÖ übernommen, so dass sich der Strache schwer tut mit der Abgrenzung und mit politischen Copyright-Klagen unterwegs ist. Dieser Opportunismus von Kurz und rechtem SP-Personal ist brandgefährlich, weil er Rassismus und Deutschnationalismus gesellschaftsfähig macht. Salonfähig sind sie ja schon länger.

Flora Petrik: Und es sind nicht nur die Positionen der Parteien. Die extreme Rechte in Österreich war sehr erfolgreich darin, die gesamte Gesellschaft nach rechts zu verschieben. Aber ich glaube, dass sehr viele Menschen weiterhin an eine bessere Gesellschaft glauben, in der alle Menschen gut zusammenleben können. Das haben wir bei der enormen Solidaritätswelle mit Geflüchteten im Sommer 2015 gesehen. Diese Menschen sind ja nicht verschwunden. Sie haben nur gerade keine Stimme in der Öffentlichkeit. Das müssen wir ändern.


Volksstimme: Zentrale Forderung von KPÖ Plus ist ja auch die Begrenzung der PolitikerInnengehälter. KritikerInnen meinen, man würde damit die »Fähigen und Qualifizierten« davon abhalten, in die Politik zu gehen. Stimmt das?

Mirko Messner: Ich denke, unsere GemeinderatsmandatarInnen sind sowohl fähig als auch qualifiziert, auf einigen Gebieten zweifellos die Fähigsten und Qualifiziertesten, und sie leben mit der Selbstbegrenzung ihrer Politgehälter, so sie welche beziehen, siehe Graz, aber auch in anderen österreichischen Städten. Prinzipiell schauts ja bezüglich Politgehalt oft gegenteilig aus: Je unqualifizierter und unsozialer, umso größer das Gehalt, Beispiele dafür werden uns täglich frei geliefert. Nicht nur aus Übersee.

Flora Petrik: Ich finde auch: Die wirklich guten PolitikerInnen gehen nicht fürs Geld in die Politik, sondern aus Überzeugung. Die satten PolitikerInnengehälter, die es jetzt gibt, haben das schwarz-blaue Korruptionsdesaster auch nicht verhindert. Wer von einem ganz normalen Einkommen lebt wie die meisten Menschen, hat auch ein viel besseres Gespür für ihre Sorgen und Nöte. Und auch in anderen Bereichen fordern wir Einkommensobergrenzen: Es ist absurd und vollkommen ungerecht, dass ManagerInnen teilweise das Hundertfache, wenn nicht mehr, verdienen wie die Reinigungskraft, die sich täglich kaputtarbeitet und kaum über die Runden kommt.


Volksstimme: Der französische Präsident Emanuel Macron hat kürzlich seinen Plan für den Umbau der EU verkündet. Was wäre eurer Meinung nach nötig, um die bröckelnde EU zu retten? Und soll sie überhaupt gerettet werden?

Flora Petrik: Klar ist, dass es an der aktuellen Politik der EU vieles zu kritisieren gibt: Die Aufrüstung, die Handelspolitik mit TTIP und CETA, die brutale Verarmungspolitik zu Gunsten der Konzerne und Reichen zum Beispiel in Griechenland. Wir kämpfen für eine solidarische, andere Politik in Europa, die die Interessen der Menschen und nicht die der Profite in den Mittelpunkt stellt. Ob und wie das mit dieser EU möglich ist, darauf gibt es auch innerhalb von KPÖ PLUS unterschiedliche Ansichten. Klar ist, dass es auch im EU-Parlament linke Kräfte gibt, die sich täglich für ein besseres Europa einsetzen.

Mirko Messner: Die politischen VerwalterInnen der EU sind dabei, durch den - vor allem von der deutschen politischen Klasse diktierten – Austeritätskurs ihr eigenes Projekt zu zerbröseln. Meiner Meinung müssen wir uns nicht den Kopf zerbrechen, wie die bröckelnde EU zu retten wäre, sondern wie wir mithelfen können, zwischen dem neoliberalen EU-Mainstream auf der einen und der rechtsextremen bzw. nationalistischen Sozialdemagogie auf der anderen Seite einen dritten Pol der Solidarität und des Kampfes um soziale Rechte und Demokratie zu konsolidieren. Das ist dann auch unser Beitrag zur europäischen Integration jener, die nicht zur herrschenden Klasse gehören – oder anders gesagt, eine Integration Europas wird es nur auf diesem Weg geben. Die EU ist ein Feld der Auseinandersetzung, und wir sind mitten drin, da hilft kein Jammern und kein Klagen, weder eine EU-phorie noch ein Grenzen-dicht-Geschrei.

Ich meine, Wahlrecht für alle ist die Grundlage für die Demokratie und gegen die Ausgrenzung. Unser feiner Herr Integrationsminister soll die echte Integration durchs Wahlrecht ermöglichen!
-- Ulli Fuchs

Ulli Fuchs: Wie Mirko sagt: Es braucht auf alle Fälle mehr Integration jener, die nicht zur herrschenden Klasse gehören. Mehr Demokratie und Mitsprache. Das gilt übrigens auch für die Nationalratswahl: Ein großer Teil der Bevölkerung, auch in meinem persönlichen Bekanntenkreis, sind von diesen Wahlen ausgeschlossen sind, weil sie kein Wahlrecht haben. Stellt euch einmal vor, wie es denen geht. Die müssen sich die grauslichen hetzerischen Plakate anschauen und können sich nicht mit ihrer Wahlstimme wehren. Und wer will schon die ganze Zeit nur sich instrumentalisieren und kriminalisieren lassen? Ich meine, Wahlrecht für alle ist die Grundlage für die Demokratie und gegen die Ausgrenzung. Unser feiner Herr Integrationsminister soll die echte Integration durchs Wahlrecht ermöglichen! Und genau so muss auch die EU demokratischer werden, mehr im Interessen aller EU-BürgerInnen arbeiten.


Volksstimme: Die Neoliberalen haben vor einigen Jahrzehnten »das Ende der Geschichte« verkündet. Nun steht die Welt vor fundamentalen Herausforderungen: z. B. Automatisierung, das Bevölkerungswachstum, der Klimawandel mit all seinen Folgen. Führt angesichts dieser monumentalen Probleme überhaupt ein Weg am Systemwechsel vorbei?

Flora Petrik: Ich glaube nicht, dass wir am Ende der Geschichte sind. Was wir sehen, ist eine tiefe Krise des kapitalistischen Systems. Immer mehr Menschen sehen, dass es so nicht weitergehen kann. Wir stehen vor der Entscheidung, ob wir einen immer autoritäreren, rassistischeren und unsozialeren Kapitalismus zulassen, der unsere Lebensgrundlagen zerstört – oder ob wir diese Gesellschaft gemeinsam grundlegend verändern.

Mirko Messner: Exakt. Die Aufgabe, die wir zu bewältigen haben, ist allerdings: Wie verwandeln wir die passive Zustimmung zu dieser unsozialen Ausrichtung der gesellschaftlichen Entwicklung in ein aktives Nein zum Bestehenden, das heißt in ein Ja zu Alternativen, das sich auch parlamentarisch repräsentiert. Ich meine, das geht letztlich vor allem über die Organisierung von Interessen vor Ort, in den Kommunen, und auf nationaler Ebene, die europäische Ebene nicht zu vergessen. 254 KandidatInnen sind auf unserer Liste. Lohnarbeitende, Studierende, Pensionierte, Lehrende, Krankenschwestern, Pfleger, EDV-TechnikerInnen, Alleinerziehende, gewerkschaftlich Tätige, usw. – also ein Querschnitt der 95 Prozent. Anders gesagt: ExpertInnen für den Alltag mit strategischen Ambitionen. Diese und ihresgleichen in sozialen und kulturellen Bewegungen (sprich: wir) können die Aufgabe bewältigen. Jemand anders wird es nicht tun für uns.


Volksstimme: Danke für das Gespräch!

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