
Trumps Liebe zu neuen Zöllen
Die weltweiten Auswirkungen der neuen US-amerikanischen Zollpolitik können derzeit noch nicht definitiv bewertet werden. Dass sie eine industriepolitische Waffe sind, ist offensichtlich. Und auch, dass letztlich die Konsumenten und Konsumentinnen dafür zahlen werden.
Von Kurt Bayer
Die Fakten per 4. März 2025: an diesem Tag wird die kürzlich angekündigte Suspendierung neuer US-Zölle gegen mexikanische und kanadische Waren im Ausmaß von 25% aufgehoben, sie werden also effektiv. Damit bricht Trump das mit diesen Ländern vereinbarte Freihandelsabkommen. Am selben Tag unterschreibt Trump ein Dekret, dass Zölle auf chinesische Waren um 20% (statt 10% wie zuvor angekündigt) in den nächsten Tagen erhoben würden, und auch EU-Waren mit Zollsätzen von 25% belegt würden. Alle betroffenen Länder haben angekündigt, äquivalente Gegenmaßnahmen durchzuführen. Bereits am 6. März 2025 hat die US-Regierung die Autoindustrie von den kanadischen und mexikanischen Zöllen ausgenommen (wohl auf starken Lobbydruck der US-amerikanischen Autobauer, die einen Großteil ihrer Komponenten aus den Nachbarländern beziehen), sowie die Zollerhebung ein weiteres Mal für einen Monat ausgesetzt. Dieses permanente Hin und Her ist Teil der neuen USA-Verunsicherungsstrategie.
Zusätzlich hat Trump öfters die (falsche) Meinung vertreten, dass die europäische Mehrwertsteuer eine zollähnliche diskriminierende Maßnahme gegen US-Produkte ebenso wie phyto-sanitäre (z. B. gegen Chlorhühner oder genmanipulierten Mais) und technische Standards (z. B. bestimmte Sicherheitsvorschriften bei Autos) darstelle und ebenfalls zu »US-Strafen« führen würde. Trump hat mehrmals verkündet, dass alle Staaten, die gegenüber den USA einen Handelsbilanzüberschuss hätten, also mehr Waren in die USA exportieren als von diesen importieren, die »USA ausbeuteten«, auf Kosten der USA sich saniert hätten und jedenfalls die USA »übervorteilt« hätten. Das müsse bestraft werden.
Ähnliche, dem Ökonomie-Standardwissen entgegenstehende Meinungen, in diesem Fall auch noch in sich inkonsistent, äußert Trump bezüglich Wechselkursen: einerseits droht er Ländern, die ihren Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar »nach unten manipulierten«, mit Strafmaßnahmen, andererseits strebt er in seiner selbsternannten Eigenschaft als Hegemon der Weltwirtschaft einen »starken Dollar« an, das heisst einen hohen Dollarkurs. Was will er also? Einen starken Dollar als Symbol der Wirtschaftsstärke der USA oder einen schwächeren Dollar, um den USA-Exporteuren
Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten zu verschaffen. Beides gleichzeitig geht nicht!
Auswirkungen
Es ist derzeit viel zu früh, die mittel- bis längerfristigen Auswirkungen der Trumpschen Zollpolitik zu bewerten. Seine »Liebe« zu Zöllen als wirtschaftspolitische Waffe hat er bereits in seiner ersten Amtszeit bewiesen. Vorliegende Studien zeigen allerdings, dass sie nicht die von ihm damals und heute propagierten positiven Auswirkungen auf die US-Wirtschaft hatten. Als Hauptziel gibt er an, mit den Zöllen ausländische Waren in den USA zu verteuern und damit die ausländischen Produzenten zu bewegen, ihre Werke in die USA zu verlagern, um der Zollbelastung zu entgehen.
Wie sich Zölle tatsächlich auf die Nachfrage, die Beschäftigung und die Einkommen auswirken, ist jedoch nicht pauschal zu beantworten: die Effekte sind von Produkt zu Produkt unterschiedlich. Wird ein neuer oder zusätzlicher Zoll auf ein Produkt erhoben, so hebt die US-Behörde vom Importeur den Zoll ein, das Produkt wird je nach Nachfrage entweder teurer oder bleibt gleich teuer, wenn der Importeur den Zoll »schluckt«, das heißt seinen Gewinn reduziert. Produkte, die quasi Monopolcharakter
besitzen, also nicht leicht durch andere ersetzt werden können, werden in diesem Fall um den zusätzlichen Zoll teurer. Das bedeutet, dass der Endverbraucher (Konsument) den Zoll trägt: da die Nachfrage unelastisch ist, wird der Zoll weitgehend auf die Endverbraucher überwälzt.
Handelt es sich jedoch um ein Produkt, zu dem es viele Alternativen (heimische oder aus nicht zollbelasteten Ländern) gibt, kann der Endverbraucher ausweichen, und der Importeur muss die Zollbelastung tragen: allerdings wird auch hier die Nachfrage nach diesem spezifischen Produkt zurückgehen, sodass der Exporteur letztlich den Zolleffekt
tragen wird.
Jedenfalls ist anzumerken, dass zwischen dem »Zahler« des Zolls und dem endgültigen »Träger« ein Unterschied besteht, der von der Nachfrage- Elastizität des belasteten Produkts abhängt. Handelt es sich bei den nunmehr zollbelasteten Produkten nicht um Endprodukte, sondern um Rohstoffe, oder Produkte der ersten oder zweiten Verarbeitungsstufe, wie im Falle der erhobenen Zölle auf Stahl und Aluminium, kommt zu den oben genannten direkten Auswirkungen noch der Effekt auf jene Unternehmen und Branchen zu, die dieses Produkt weiter verarbeiten, also etwa die Autoindustrie, die Bauindustrie, die Maschinenindustrie: diese werden plötzlich mit höheren Preisen für ihre Vorprodukte konfrontiert und stehen ebenfalls vor dem Dilemma, diese Preiserhöhung in ihren Gewinnen zu schlucken oder sie an die Endverbraucher weiterzugeben, also zu »überwälzen «. Da Produkte wie Stahl und Aluminium in einer sehr breiten Palette von Sektoren verwendet werden, wird durch solche Zölle eine Vielzahl von US-Unternehmen getroffen. Dies widerspricht der ursprünglichen Trumpschen Intentionen – nämlich die US-Industrie zu stärken und Industriearbeitsplätze wieder zurück in die USA zu bringen.
Handelskrieg und Ende der Globalisierung
Ökonomisch sind die durchgeführten und angekündigten Zollmaßnahmen von ihren Auswirkungen her derzeit nicht abschließend zu beurteilen. Klar ist jedoch zweierlei: die globalen, in die USA strömenden Waren werden jedenfalls abnehmen: inwieweit sie ihren vermeintlichen Zweck, Industriefertigung und -arbeitsplätze in die USA zu bringen, erreichen werden, kann noch nicht eindeutig gesagt werden. Zweitens entfacht die US-Regierung mit dieser Politik zweifellos einen Handelskrieg zwischen den USA und ihren Importeuren: diese haben angekündigt, zurückzuschlagen und gezielt Warengruppen, bzw. Bundesstaaten treffen zu wollen, die großes Stimmgewicht bei US-Republikanern haben.
Klar ist, dass spätestens mit einem solchen Handelskrieg ein Ende der »Hyper-Globalisierung« verstärkt wird, die in der Bildung von weltweiten Wertschöpfungsketten als profitmaximierende Auslagerungs-Strategie großer Unternehmen besteht. Bereits seit der Weltwirtschafts- und -finanzkrise der Jahre nach 2008 hat das überproportionale Wachstum des Welthandels gegenüber der globalen BIP-Entwicklung abgenommen, der in den letzten Jahrzehnten der Treiber des Wirtschaftswachstums war. Seit 2008 wächst der Warenhandel nur mehr etwa gleich schnell wie die Weltwirtschaft. Es wurde vermutet, und das geht aus einigen Äußerungen Trumps und seiner Mitarbeiter hervor, dass die USA auf globaler Ebene die Bildung von drei (?) »Einflusszonen« anstreben: die USA würden jene der »Amerikas« dominieren (dazu zählen die Äußerungen gegenüber Kanada, die Begehrlichkeit gegenüber Grönland und dem Panamakanal); Europa würde Russlands Hegemonie überlassen; und China würde in Südasien schalten und walten dürfen. Jeder der drei Hegemons würde die Einflussbereiche der anderen in Ruhe lassen – und dasselbe für »seinen« Bereich erwarten. Diese These wurde kürzlich von Michael Ignatieff, dem kanadischen Ex-Politiker und früheren Chef der Central European University relativ plausibel vertreten. Als ökonomischer Effekt würden Wertschöpfungsketten dann primär innerhalb des je eigenen Einflussbereiches organisiert werden, wodurch sich Handelswege verkürzen und damit auch die Umweltbelastungen durch Außenhandel (derzeit bei etwa 7% der Gesamtemissionen) verringert würden.
Faktum ist jedoch, dass derzeit (Anfang März 2025) die gesamten Auswirkungen der USA-Politiken, die teils in sich widersprüchlich sind, jedenfalls aber mit den Usancen der globalen Zusammenarbeit brechen, nicht bewertet werden können. Die bisherigen Maßnahmen und Äußerungen weisen auf große Unsicherheiten bezüglich künftiger Maßnahmen hin. Dies mag ohne weiteres im Sinne der Verursacher sein. ♦