ÖKONOMIE UND TECHNOLOGIEN DER ANEIGNUNG: Eigentum Frauenkörper

von

Mein Körper gehört mir – welche oder wer dies glaubt, weiß nichts oder sehr wenig, denn diese Ansage ist purer Mythos.

von LISBETH N. TRALLORI

Die Versuche, den weiblichen Körper anzueignen und ihn für andere Interes­sen auszubeuten, lassen sich über Jahrhun­derte hinweg verfolgen und durchziehen die gesamte westliche Wissenschaftsge­schichte. Nunmehr steht ein Wissen zur Verfügung, mit dem problemlos die Verein­nahmung erfolgen kann und des Weiteren die Vermarktung des Frauenkörpers zulässt. Spricht man von Vermarktung, dann tauchen die üblichen Bilder zu Prosti­tution, Sexismus, Verschleppung und Frau­enverkauf oder zu realer wie auch virtuel­ler Pornografisierung auf (Ekman 2016). Zumal diese Bilder eingerahmt sind von der neoliberalen Ökonomie, welche wiederum auf einem pervertierten Begriff von schein­barer Selbstbestimmung fußt.

Einmal davon abgesehen, zeigen sich patriarchal erhobene Zuständigkeiten über den Frauenkörper ganz deutlich. Im Visier von Medizin, Naturwissenschaften, Biolo­gie, diverser Religionen, konservativer Gesellschaftspolitik steht die weibliche Gebärfähigkeit, ebengleich zum privatim ernannten Freund, Partner, Ehemann.

Einzug in die Warenwelt

Neben diesen androzentrisch zu bewerten­den Ansprüchen, die sich zumeist herr­schafts-ideologisch artikulieren – »es war schon immer so«, »von Natur aus program­miert« oder »du gehörst mir« etc. – stellt sich die Frage, wie kommt es, dass aus bio­logischen Grundtatsachen, wie die eines Köpers, in einer demokratischen Gesell­schaft Waren werden können und der Ein­zug in die Warenwelt gelingt? Seit dem rasanten Aufstieg einer repro-genetisch formierten Biopolitik kennen wir auch die Antwort. Es ist der Technologieeinsatz unter den Bedingungen einer biokapitalis­tischen Verwertungsmaschinerie und Industrie (vgl. Trallori 2015).

Ich möchte daran erinnern, dass bis dahin das menschliche Fortpflanzungs-Potential zu jenen Bereichen gehörte, die eben nicht-marktförmig organisiert waren, vielmehr galt die generative Reproduktion als eine intime Angelegenheit und fern jeg­licher durchökonomisierter Warenwelt. Unter Anwendung repro-genetischer Tech­nologien und unter dem Aspekt der Profit­maximierung gelang der Vorstoß in das Innere des Körpers, zielgerichtet auf menschliche Fortpflanzungsorgane. Dabei handelt es sich nicht nur um die Produk­tion von heterosexualisierten Verhältnis­sen, vielmehr von einer beliebigen, zellulä­ren, technobasierten Aneignung zum Zwe­cke jeglicher reproduktiver Möglichkeiten zwischen allen Geschlechtern. Die Ausdeh­nung des Marktes resultiert auch aus dem Einbezug jener Personengruppen, die vor­mals von der Fortpflanzung ausgeschlossen waren, wie Angehörige der lesbian, gay, bisexual, intersexual bzw. transgender communities. Hochtechnisierte Verfahren zielen auf solche medizinische Interventio­nen, die für den Erhalt von Ovarien und Eierstockgewebe, Spermien oder von embryonalen Zellen zuständig sind. Danach erhalten sie ihren Status als Ware, die im Rahmen von Kliniken, Labors und Gewebe­banken regulär vermarktet werden.

In diesem Zusammenhang sei darauf ver­wiesen, dass es kaum ein Labor auf der Welt gibt, das nicht mit jenen von Henrietta Lacks, einer Afroamerikanerin, stammen­den Gebärmutterzellen bestückt ist und damit handelt (Skloot 2010). Ohne deren Wissen und Einwilligung sind ihre Tumor­zellen entnommen und später patentiert worden. Seither sind diese »HeLa-Zellen« die am häufigsten kommerziell genutzten Körpersubstanzen in der biotechnologi­schen Forschung. Es handelt sich dabei um einen Unternehmenssektor, der stetig zugelegt hat. Derzeit beläuft sich der Gesamtmarkt für menschliches »Biomate­rial« auf schätzungsweise 90 Milliarden US-Dollar (Kunow 2015, 58). Angesichts dieser Tatsachen erhebt sich eine Frage: Was ist eigentlich aus der humanistisch-feministi­schen Grundvorstellung von einer Unan­tastbarkeit des Leibes geworden? Und es ist davon auszugehen, dass diese Frage auch für die kommenden Generationen von Bedeutung sein wird.

Eizellen, Leih- und Mietmütter

Aus feministischer Sicht drängen sich bei­spielhaft zwei relativ neue Märkte auf: der Eizellenmarkt und der Leih- bzw. Mietmut­termarkt. In diesem marktintensiven Ver­wertungszusammenhang zeigt sich die bio­kapitalistische Ausrichtung der Life-Sci­ences-Industrie. Bei dieser Art der Vernut­zung verschwinden faktisch Frauen als Per­sonen hinter repro-genetischen Technolo­gien und biokapitalistischen Interessen, denn aus ihnen werden »Rohstofflieferan­tinnen« für die Fortpflanzungsindustrie. Betrachten wir nur einmal die zum Geschäftsobjekt reduzierten weiblicher Eizellen, die aus einem Frauenkörper erst herausgenommen bzw. operativ entfernt werden müssen, um sozusagen einen »Marktwert« zu erlangen. Eine vitale, repromedizinische Industrie verlangt die fortlaufende Ernte dieser Fortpflanzungs­zellen, die als Rarität auf dem Markt gelten. Der in der englischen Sprache übliche Begriff »Egg-Donation« im Sinne einer frei­willigen Spende kann komplett aus unse­rem Vokabular gestrichen werden, viel­mehr gibt es eine Reihe von ausweichenden Benennungen für die jeweilige marktübli­che Bezahlung, so die sogenannte »Auf­wandsentschädigung« oder Reisekosten- und/oder Hotelkosten-Ersatz etc. Ein unentgeltlicher Deal auf »freiwilliger« Basis ist illusorisch, Eizellen werden im Zuge von gynäkologischen Operationen »kalt« ange­eignet oder günstig eingekauft bzw. auf globaler Ebene gegen Geld erworben.

Auf den internationalen Geschäftsfeldern für reproduktive Körpersubstanzen werden wahre Schlachten um weibliche Eizellen geschlagen, weil diese im Vergleich zu den milliardenhaft vorhandenen und leicht zu gewinnenden männlichen Keimzellen eine Kostbarkeit darstellen. Denn nur in den fruchtbaren Jahren reifen im Körper der Frau insgesamt 300 bis 500 Eizellen zum befruchtungsfähigen Stadium heran (vgl. Werner-Felmayer 2008). Da die Nachfragen wesentlich größer als die Angebote sind, gestaltet sich die Preisbildung gemäß der kapitalistischen Logik in ungeahnten Höhenlagen bis zu 120.000 Dollar – aller­dings gilt dies nur für gebildete, weiße, junge New Yorker Frauen, die sich damit das Studium finanzieren können. Unter einer hinlänglich bekannten Rassifizierung können hingegen Frauen aus Ostländern oder Asien mit einem Entgelt von 500 Euro rechnen. Auf die profitable Ausnutzung sozialer, kultureller und ökonomischer Unterschiede macht der Dokumentarfilm »Google Baby« von Zippi Brand Frank auf­merksam. Der Trend zur ReproduktionsOrganisation mit eigenen Zulieferungs-, Verteilungs- und AbnehmerInnenketten rund um den Globus scheint unaufhaltsam zu sein. Darauf verweisen Reproduktions­firmen wie beispielsweise Global-Art-Klini­ken, die auf dem europäischen Markt, etwa in Rumänien, als auch auf anderen Konti­nenten, so in den USA, in Lateinamerika, Asien und in Ländern wie Israel agieren.

Zudem kommt, dass mit dem Verfahren von »Egg Freezing« für eine gezielte Lebensplanung, speziell für junge Frauen, geworben wird. Ihnen wird die medizini­sche Prozedur zur Eizellentnahme aus ihrem Körper nahe gelegt, um diese in tief­gekühlten Bio-Depots, klarerweise gegen erhebliche Lagerungsgebühren, einzufrie­ren. Nach etlichen Jahren könnte dann, bei Bedarf, noch immer die gefrorenen Eizellen aufgetaut, im Labor fertilisiert, dann mit speziellen Maschinen bebrütet und danach in den Uterus eingesetzt werden. – So jedenfalls die Werbung für ein Verfahren, das auch von Konzernen wie Google oder Apple unterstützt wird.

Verdinglichung weiblicher Körperlichkeit

Klarerweise zeigt sich auch auf den Miet­muttermärkten die rasant vorangeschrit­tene technologische Verdinglichung von weiblicher Körperlichkeit. Auch diese Märkte sind durch enorme Unterschiede zwischen den Preisen des An- und Verkaufs gezeichnet. An weiblicher Armut und Ungleichheit, besonders in den Niedrig­lohnländern, wird profitiert. Die austragen­den Mietmütter verrichten die vielfach unterbezahlte Schwangerschafts- und Gebärarbeit für die reiche Klientel aus der westlichen Welt. Vertragstexte schreiben ihnen den Tagesablauf, Kontroll-Untersu­chungen, sexuelle Enthaltsamkeit, Gefühl­losigkeit und zumeist einen Kaiserschnitt vor – ehe sie das neugeborene Baby ablie­fern müssen. Bei Fehlgeburten oder einem »nicht-normgerechten Baby-Produkt« gehen sie ohnedies leer aus. Insofern ist mit der Vorstellung, dass eine global organi­sierte Mietmutterschaft nichts anderes als schöne Babys und selbstlose Frauen seien, aufzuräumen; die Mietmutterindustrie ist eine rücksichtslose Industrie, deren Kassen vom menschlichen Elend, Täuschung, schlechter Gesundheit und Kindern als Waren anschwellen (Klein 2018).

Im beschönigenden Marketing wird nie­mals auf die ernsthaften potentiellen Gesundheitsrisiken für die jungen Frauen hingewiesen, die als »Trägerinnen der Schwangerschaft« dienen. Vor allem fehlt es m. E. in den öffentlichen Debatten an fundierten Informationen über diese The­matik. Selbst wenn solche Debatten statt­finden, dann bleibt oftmals unterbelichtet, dass es sich um eine eklatante Missachtung von Frauen- und Menschenrechten han­delt, denn Frauen sind menschliche Wesen und keine Waren! So ist auch evident, dass kleinere gesetzliche Korrekturen oder par­tielle Verbote nichts bringen – hier geht es insgesamt um eine komplette Transforma­tion auf den Grundlagen einer neuen links-feministischen Gesellschaft.

Literatur:

Ekman, Kajsa Ekis (2016): Ware Frau: Prostitution, Leihmutterschaft, Menschenhandel, Berlin: Orlanda.

Klein, Renate (2018): Mietmutterschaft. Eine Men­schenrechtsverletzung, Hamburg: Marta Press.

Kunow, Rüdiger (2015): »Wertkörper. Zur Ökonomi­sierung des menschlichen Körpers im Zeichen von Globalisierung und Neoliberalismus«, in: Prokla 178, 51–66.

Skloot, Rebecca (2010): Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks, München.

Trallori, Lisbeth N. (2015): Der Körper als Ware. Feministische Interventionen, Wien: Mandel­baum.

Werner-Felmayer, Gabriele (2008): »Menschliche Eizellen, ein kostbares Gut«, in: Andreas Exen­berger/Josef Nussbaumer (Hg.), Von Körpermärk­ten, Innsbruck: university press, 99–118.

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Gelesen 5537 mal Letzte Änderung am Sonntag, 08 März 2020 10:29
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