13 April

WALDVIERTELAUTOBAHN: Die Umwelttrojaner

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»Bitte zieht das Trojanische Pferd nicht in unser Waldviertel«, appellieren Regionalver­treterInnen des Verkehrs- und Regionalfo­rums Waldviertel an die Vernunft der Politik.

VON BÄRBEL DANNEBERG

SYSTEMWANDEL

Die Vernunft ist enden wollend. Landes­hauptfrau Johanna Mikl-Leitner prä­sentierte Mitte Jänner anlässlich einer VPNÖ-Arbeitstagung in Liebnitz/Gemeinde Raabs an der Thaya ihre Pläne für 1919: »Das Verkehrsprojekt Europaspange steht für eine bessere Anbindung des Wald- und Weinviertels an Ballungszentren und inter­nationale Wirtschaftsräume. Der erste Schritt wurde bereits gesetzt, indem sich die Vertreter der Region bereits für die Europaspange ausgesprochen haben«, so Mikl-Leitner. Alle – bis auf die Grünen, sie haben im Landtag dagegen gestimmt. Mit Unterstützung des Nachbarn Tschechien möchte die Landeshauptfrau nun die zwei­jährige Prüfungsdauer des Projekts dafür nützen, auf EU-Ebene intensiv Werbung zu machen, »um die Europaspange auch in europäische Infrastruktur-Netze und -Projekte einzubinden«.

Das macht klar, dass die Planung einer Waldviertelautobahn nicht der Verbesse­rung des Wirtschafts- und Lebensraums im Waldviertel dient. Vielmehr geht es um eine Transitschneise Richtung großer Bal­lungszentren in Europa quer durch natur­belassenes und abwanderungsbedingt dünnbesiedeltes Gebiet, das zu den schöns­ten, aber ärmsten in Österreich gehört. Mit dieser wirtschafts- und regionalbedingten Hypothek wird Hoffnung gestreut. Durch eine Betonpiste quer durch die Äcker des Waldviertels würde »das regionale Wirt­schaftsprodukt der Region mit den Ver­kehrsprojekten laut einer neuen Studie um eine Milliarde Euro steigen«, schrieben die »Bezirksblätter Zwettl« im Jänner.

Verrückter Luxus

Ich lebe teilzeitig im Waldviertel. Mein klei­ner Ort nahe Horn ist ohne Auto nicht erreichbar, der Bahnhof ist zehn Kilometer entfernt. Insbesondere an den Wochenen­den gibt es keine regionale Verkehrsanbin­dung. Mein Dorf hat weder einen Einkaufs­laden noch ein Wirtshaus. Manche erhoffen sich, dass eine Autobahn Leben in die Region bringen würde. Wahrscheinlicher aber sind Lärm, Dreck, Gestank und, wie der Verkehrsexperte Herbert Knoflacher meinte, am ehesten bringe eine Autobahn noch Kriminalität: »Wenn man das Wald­viertel massiv schädigen will, dann muss man sie bauen.«

Ich Freizeit-Waldviertlerin entkomme am Land der großstädtischen dicken Luft. Ich würde gerne auf mein Auto verzichten, das eine Geldvernichtungsmaschine ist. Es ver­stellt tagelang wie auch viele andere Autos unbenutzt den öffentlichen Raum in Wien, zusammen mit allen Autogebührenpflich­ten und Sprit ein teures Vergnügen, ein Parkplatz ist trotz Parkpickerl schwer zu haben. In Wien fahre ich mit den Öffis. Was ist das für eine verrückte Welt? Plattge­walzte Autowracks würden zusammen mit allen versiegelten Betonflächen und Flughafenpisten weltweit mehr Bodenfläche als ackerbauliche Nutzflächen einnehmen. Das Wissen um diese verrückten Umweltsünden verhindert nicht, dass ich rausmöchte aus der städtischen Hektik. Ohne Auto ist das für mich nicht zu haben. Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer und der Luxus der Möglichkeiten verschärft Ungleichhei­ten. Auf Kosten der Umwelt kann ich zwi­schen Wien und Waldviertel wählen. Die alten Leute in meinem Dorf aber sind ange­wiesen, dass ihnen jemand was aus der gol­denen Supereinkaufsmeile bei Horn (einer anderen Umweltsünde) mitbringt.

Die Wirtschaft schafft – was?

Das Verkehrs- und Regionalforum wider­legt die scheinheiligen Argumente der BefürworterInnen: Eine Autobahn erspart den WaldviertlerInnen weder Geld noch Reisezeit, sondern bringt LKW-Transitver­kehr, Lärm und Umweltbelastung und ver­nichtet dauerhaft 2.000 ha wertvoller Agrarfläche. Die Nordwesteinfahrt von Wien kann zusätzlichen Verkehr nicht mehr aufnehmen und die durch Schnellfah­ren gewonnene Zeit geht im Stau wieder verloren. Der Beschäftigungseffekt ist beim Autobahnbau niedriger als bei fast allen anderen Arten um dasselbe Steuergeld. Nach einem Autobahnbau gehen Arbeits­plätze verloren (untersucht in der Schweiz, im Südburgenland und dem Lungau). Viele kleine und mittlere heimische Handwerks- und Gewerbebetriebe werden dem steigen­den Konkurrenzdruck von Konzernen zum Opfer fallen. Die Milliarden, die eine Auto­bahn kostet, können im Waldviertel für Bil­dung, Klimaschutz, Energieautarkie, schnelle Bahnanbindung, Datenautobahn und Förderung von Gewerbe und Landwirt­schaft viel besser eingesetzt werden. (www.verkehrsforumw4.at)

Mir erscheinen diese Argumente logisch und die regionale Wirtschaftsbelebung fraglich. Schon allein die Umfahrungen von Seitzersdorf-Wolfpassing und Ziersdorf haben viele örtliche Geschäfte und Bauern in den Ruin getrieben, weil die von Wien ins Waldviertel Fahrenden die Umfahrun­gen nicht für den Einkauf verlassen. Stu­dien bestätigen, dass Betonpisten den (Schwer-)Verkehr wie ein Magnet an- statt abziehen.

Asphaltcowboys

Trojanische Pferdestärken werden von FPÖ-Verkehrsminister Norbert Hofer unterstützt. Er hat die Erhöhung des Tempolimits auf Autobahnteststrecken damit argumentierte, dass man schließlich nicht Milliarden in den Autobahnausbau investiere, um dann die Mög­lichkeiten einer Verkehrsbeschleunigung durch Tempobeschränkungen einzuschrän­ken. Die ASFINAG hat angekündigt, heuer 1,2 Milliarden Euro in Autobahnen zu investieren. Das freut die Beton- und Baulobby. Die mit medialem Politgetöse begleitete Tempobe­schleunigung macht nichts schneller, weil beim Ein- und Ausfädeln schnellerer Abschnitte es sich erst wieder staut. Für die Strecke zwischen Vitis und Wien lautet die Berechnung des Verkehrs- und Regionalfo­rums Waldviertel folgendermaßen:

»LKWs kostet die Autobahn geringfügig Zeit durch den Umweg, daher wird man auf der B2 ein LKW-Verbot brauchen, um Mautflucht zu vermeiden. PKWs bringt die Autobahn 12 min. nur dann, wenn man nicht bedenkt, dass eine Menge zusätzlichen Verkehrs (Deutschland-Rumänien) zu Stau vor allem auf der Donau­uferautobahn, der Nordbrücke, dem Gürtel und der Südosttangente führt. Die Nordauto­bahn hat über 10.000 Fahrzeuge/Tag zusätz­lich auf diese Strecke gebracht, jetzt ist sie am Limit – die Trassen können im Raum Wien nicht mehr verbreitert werden. Weitere ›Nadelöhre‹ und damit Folgekosten entstehen (z. B. Suchdol/Tschechien). Nimmt man an, dass bei noch mehr Verkehr auf der Donau­uferautobahn und auf den Autobahnabschnit­ten bei Horn und Hollabrunn mittelfristig ein Feinstaubhunderter kommen muss (EU-Rechtsumsetzung), verliert der PKW 2 min Reisezeit, was erhebliche ›Mautflucht‹ zurück auf die B2 zwischen Horn und Stockerau (Abkürzen Hollabrunner Eck der Autobahn) auslösen wird.«

Das Verkehrs- und Regionalforum Waldvier­tel meint, dass »mit dem Geld, das eine Wald­viertel-Spangenautobahn kostet, man 60 Jahre lang – also für ein Vielfaches der technischen Lebensdauer der Autobahnbauwerke – ein Jah­resticket wie in Wien für den öffentlichen Ver­kehr anbieten könnte«. Aus sozialen und Kli­magründen sollte der öffentliche Verkehr überhaupt weitgehend gratis oder sehr billig sein.

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