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Von Gabriele Michalitsch Waffenbrüder: Neoliberalismus, Militarisierung und Maskulinismus forcieren die Retraditionalisierung von Geschlechterverhältnissen. »Ich bin seit 30 Jahren Soldat«, bekannte Bundeskanzler Karl Nehammer anlässlich des letztjährigen Nationalfeiertages. Wer den Kanzler bis dato eher für einen neoliberal-konservativen Berufspolitiker hielt, mag erstaunt aufgehorcht haben. Doch auch der französische Präsident Emmanuel Macron, deklarierter Neoliberaler, beschwor bei seinem letzten Besuch in Washington an der Seite des US-Präsidenten »Standhaftigkeit, Vertrauen, Stärke und Unerschrockenheit« der »Waffenbrüder«. Die in diesen Bekenntnissen artikulierte Verbindung von Neoliberalismus und Militarismus ist keineswegs bloß dem Krieg in der Ukraine geschuldet. Neoliberalismus, aktuelle politische Orientierung am Freund-Feind-Dualismus und Militarisierung sind vielmehr in materieller, ideologischer und emotionaler Hinsicht eng ineinander verflochten – und scheinbar »nebenbei« forcieren sie die Retraditionalisierung von Geschlechterverhältnissen. Materielle Spaltungen Neoliberale Politiken von Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung führten, wie eine Vielzahl ökonomischer Indikatoren zeigt, zu sozialer Polarisierung und tiefen gesellschaftlichen Spaltungen. Die Reallöhne sanken in Österreich vor allem seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 beträchtlich, stagnierten dann weitgehend, ehe sie im Zuge der aktuell hohen Inflation erneut einbrachen. Dabei sank das unterste Viertel der Lohneinkommen jedoch weit stärker als das Medianein kommen. Das Viertel der höchsten und das der niedrigsten Einkommen klaffen immer weiter auseinander, die Spaltung der Erwerbstätigen verschärft…
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Ein persönlicher Rückblick auf den Bundeskongress der Jungen Linken von Nina Mujezinović Am ersten Wochenende dieses Jahres fand der Bundeskongress von der Junge Linke statt. Mein erster von vielen. Die Vorfreude darauf war schon sehr groß und wir machten »Werbung « dafür bei anderen Mitgliedern und Interessierten. Dieses Mal hat der Kongress im Salzburger Volksheim stattgefunden. Neben dem Vorstellen und Diskutieren von einigen Anträgen ist Junge Linke auch für die coolsten Partys bekannt. Wir alle wissen, dass ein Bundeskongress mit wenig Schlaf in Verbindung gebracht wird, dafür aber auch mit einer produktiven und netten Zeit. Es sind dann immer so lustige Einzelheiten, die den Tag ein wenig schmücken. Inmitten einer angeregten Debatte über den Fokus der Jungen Linken auf die Nationalratswahl drängte sich einem Teil der Ortgruppe Tirol die verständlicherweise wesentlich die wichtigere Frage, wer denn die Kondome gesponsert habe, auf. Die Frage bezog sich auf die im Herbst 2023 veranstaltete Kampagne zum Thema gratis Verhütungsmittel und Aufklärung, wirkte dennoch in der aktuellen Debatte recht unpassend und heiterte die Stimmung auf. Ein anderes Beispiel: Unsere Bezirksgruppe Klagenfurt/Celovec hat einen »Antrag« eingereicht, um Haustiere als Sondermitglied in Junge Linke aufzunehmen. Leider musste dieser Spaßantrag aus rechtlichen Gründen zurückgezogen werden. Um dies…
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Zum 60. Todestag von Franz Honner Unmittelbar nach der Befreiung Wiens vom Hitlerfaschismus begannen die Verhandlungen zwischen SPÖ, ÖVP und KPÖ über die Bildung einer Provisorischen Regierung. Neben dem Vizekanzler forderte die KPÖ zwei Ministerien (damals als Staatssekretariate bezeichnet): jenes für Inneres und jenes für Unterricht. Der designierte Staatskanzler Karl Renner wollte das Staatssekretariat für Inneres nicht der KPÖ überlassen, weshalb die ersten beiden Verhandlungsrunden keine Einigung brachten. Als dann am 23. April 1945 der eben nach Wien zurückgekehrte Franz Honner, noch in der Uniform der jugoslawischen Partisanenarmee, bei den Regierungsverhandlungen auftauchte, sagte Karl Renner zum neben ihm sitzenden Ernst Fischer: »Was habt ihr da für einen Prachtkerl! Das ist die Verkörperung der Arbeiterklasse. Ich beneide euch um solche Leute.« Damit waren alle Widerstände gegen einen kommunistischen Innenminister überwunden. Bergmann und Parteifunktionär Die Lebensgeschichte von Franz Honner ist ein halbes Jahrhundert Geschichte der österreichischen ArbeiterInnenbewegung. Honner wurde am 4. September 1893 in Heinrichsöd (Hrdoňov), einem böhmischen Dorf nahe der oberösterreichischen Grenze im Bezirk Kaplitz (Kaplice), geboren. Sein Vater Andreas war ein armer Kleinhäusler, der in den Gütern der Adelsfamilie Schwarzenberg arbeitete und mit seiner Frau Marie sechs Kinder großzog. Bereits mit 14 Jahren begann Honner als Elektriker in einer Papierfabrik…
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EINE REPORTAGE VON BARBARA EDER Am Tag der Sprengung sei er nicht vor Ort gewesen, er war einfach nicht da. Bei der Zerstörung der beiden Sendemasten auf Anhöhe des Wiener Bisambergs wollte Bernd Ruthner nicht dabei sein. Am Fuße des Senders aufgewachsen, irritiert der Blick in die blanke Ebene. Bis zum 24. Februar 2010, 15 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, stand dort das höchste Bauwerk Österreichs, mit seinen 265 Metern ragte der nördliche Sendemast der ORF-Mittelwellenanlage aus der Skyline sichtlich hervor. Um 12 Uhr 42 war sein kleineres Pendant rückhaltlos in sich zusammengeknickt, den höheren der beiden Masten zerlegten vier im Abstand von 90 Metern platzierte Sprengstoffladungen in drei Teile. Der Fall des 80 Tonnen schweren Kolosses sollte das Ende einer Ära einleiten. Teddy Podgorski, der das Ereignis für den Fernsehsender TW1 kommentierte, kam mit seinem Abgesang auf das Mittelwellenradio jedoch zu früh: Seine Armbanduhr war der Studiozeit um eine Minute voraus gewesen. Entlang der Floridsdorfer Senderstraße sind heute nur noch selten Signale zu vernehmen, über den Dächern des denkmalgeschützten ORF-Gebäudes tauschen WLAN-Router drahtlos Informationen aus. Einige davon sind Teil von »FunkFeuer«, einer nicht-kommerziellen Initiative zum Aufbau autonomer digitaler Netzwerke, allein in Wien und Umgebung betreut der Verein mehr als 220 Knoten.…
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Von WINFRIED R. GARSCHA Die bewaffnete Erhebung von Arbeitern und Arbeiterinnen gegen die sich formierende austrofaschistische Diktatur unter Bundeskanzler Dollfuß vor 90 Jahren war einer der großartigsten Abwehrkämpfe gegen den Vormarsch des Faschismus in Europa. Wie war es dazu gekommen? 1932 bildete der niederösterreichische Bauernfunktionär Engelbert Dollfuß eine Koalitionsregierung, an der auch die faschistischen »Heimwehren« beteiligt waren. 1933 baute diese Regierung den österreichischen Staat innerhalb weniger Monate um – in Richtung einer faschistischen Diktatur nach italienischem Vorbild. Der Ausschaltung des Parlaments am 15. März folgten das Verbot der sozialdemokratischen Wehrorganisation »Republikanischer Schutzbund«, das Verbot der 1.-Mai-Demonstrationen, das Betätigungsverbot für die KPÖ und die Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofs. Zeitungen wurden einem Zensur- Regime unterworfen. Nach einer Reihe von Terroranschlägen untersagte die Regierung per 1. Juli 1933 auch die Betätigung für die Nazi-Partei. Bei einer Rede auf dem Wiener Trabrennplatz am 11. September 1933 bekannte sich Dollfuß offen zum Ziel der Abschaffung der parlamentarischen Demokratie. An ihre Stelle sollte ein so genannter »Ständestaat« treten; die Vertreter der »Stände« sollten nur beratende Funktion für die diktatorisch (»autoritär «) regierende Bundesregierung haben. Für Gewerkschaften war in diesem System kein Platz. An die Stelle der Parteien wurde eine der Regierung hörige Organisation, die »Vaterländische Front«, gebildet.…